EIN VORTRAG VON HIS DIVINE GRACE A.C.
BHAKTIVEDANTA SWAMI PRABHUPADA
ajo pi sann avyayatma / bhutanam isvaro
'pi san
prakrtim svam adhisthaya / sambhavamy atma-mayaya
"Obwohl Ich ungeboren bin und Mein transzendentaler
Körper niemals vergeht und obwohl Ich der Herr aller
fühlenden Wesen bin, erscheine Ich in jedem Zeitalter
in Meiner ursprünglichen transzendentalen Gestalt."
(Bhagavad-gita 4.6)
Krishna
ist ungeboren, und auch wir sind ungeboren, allerdings mit
dem Unterschied, daß wir, im Gegensatz zum Herrn, in
einen materiellen Körper versetzt wurden. Deshalb können
wir unsere Position als ungeborenes Lebewesen nicht beibehalten,
sondern müssen von einem Körper zum anderen wandern,
ohne eine Garantie, was für eine Art von Körper
wir als nächstes erhalten werden. Bereits in diesem Leben
müssen wir einen Körper nach dem anderen annehmen.
Ein kleines Kind gibt seinen Kindheitskörper auf und
erhält den Körper eines Jugendlichen; der Jüngling
gibt seinen Körper auf, um den Körper eines Erwachsenen
anzunehmen, und für diesen bekommt er anschließend
den Körper eines alten Mannes. Daher liegt der Schluss
nahe, dass man, nachdem man seinen alten Körper aufgegeben
hat, einen neuen Körper annehmen muss; man wird wieder
den Körper eines Kindes erhalten. Dies ist der natürliche
Kreislauf der materiellen Welt. Er gleicht dem Wechsel der
Jahreszeiten. Auf Frühling folgt Sommer, und auf Sommer
folgt Herbst; dann kommt Winter und dann wieder Frühling.
Genauso kommt auch nach dem Tag die Nacht, und nach der Nacht
kommt der Tag. Gemäß diesen periodischen Wechselvorgängen
wandern auch wir von einem Körper zum anderen, und es
ist natürlich, zu schlussfolgern, daß wir nach
Verlassen des gegenwärtigen Körpers einen weiteren
Körper erhalten werden - bhutva bhutva praliyate.
Diese Schlussfolgerung ist durchaus logisch. Sie wird von
der Shastra, den vedischen Schriften, unterstützt und
auch von der größten Autorität, Krishna selbst,
bestätigt. Warum sollten wir sie also ablehnen? Wer dies
nicht anerkennt - wer denkt, es gäbe kein Leben nach
dem Tod -, ist einfach dumm.
Es gibt ein Leben nach dem Tod, und es gibt auch die Möglichkeit,
sich aus dem Kreislauf der wiederholten Geburten und Tode
zu befreien und ein Leben der Unsterblichkeit zu erlangen.
Da wir jedoch seit unvordenklichen Zeiten daran gewöhnt
sind, einen Körper nach dem anderen anzunehmen, fällt
es uns schwer, das Leben als ewig anzusehen. Und das Leben
in der materiellen Existenz ist so voll von Problemen, dass
man vielleicht denkt, wenn es tatsächlich ein ewiges
Leben gebe, müsse es auch voller Probleme sein. Wenn
zum Beispiel jemand aufgrund von Krankheit gezwungen ist,
sehr bittere Medizin einzunehmen, im Bett zu liegen, dort
auch zu essen sowie Urin und Kot zu lassen, unfähig,
sich zu bewegen, mag er dieses Leben so unerträglich
finden, daß er denkt: "Laß mich Selbstmord
begehen." Ebenso ist das materialistische Leben dermaßen
leidvoll, daß man sich aus Verzweiflung der Philosophie
der Leere oder Unpersönlichkeit zuwenden mag, in dem
Versuch, seine gesamte Existenz zu negieren und alles zu Nichts
zu machen. Aber Nichts zu werden ist nicht möglich und
auch gar nicht notwendig. In unserem materiellen Zustand befinden
wir uns zwar in Schwierigkeiten, aber wenn wir uns aus diesem
materiellen Zustand befreien, werden wir zum wirklichen, ewigen
Leben finden.
Da wir Teilchen Krishnas sind, der aja ist, das heißt
jenseits von Geburt und Tod existiert, sind auch wir aja.
Wie könnte es anders sein? Wenn mein Vater glücklich
ist, warum sollte dann ich als der Sohn meines Vaters unglücklich
sein? Ich kann ohne weiteres schlussfolgern, dass mir das
Recht zusteht, das Eigentum meines Vaters genauso zu genießen,
wie Er selbst es genießt. Desgleichen ist Gott, Krishna,
allmächtig, allanziehend, allwissend und in jeder Hinsicht
vollkommen, und selbst wenn ich nicht vollkommen bin, bin
ich ein Teilchen Gottes, und daher besitze ich in begrenztem
Ausmaß alle Eigenschaften Gottes.
Gott stirbt nicht; demzufolge werde auch ich nicht sterben.
Das ist meine Natur. Dieser Sachverhalt wird in der Bhagavad-gita
(2.20) erklärt: na jayate mriyate va kadacin. Krishna,
der gerade die Eigenschaften der Seele beschreibt, sagt dort,
daß die Seele niemals geboren wird, na jayate, und wie
sollte es möglich sein zu sterben, wenn man nicht geboren
wird? Von Tod kann gar keine Rede sein, mriyate va. Der Tod
ist für jemanden bestimmt, der geboren wurde; wer nicht
geboren wurde, kann auch nicht sterben.
Leider sind wir uns darüber jedoch nicht bewusst. Wir
betreiben wissenschaftliche Forschung, wissen aber nicht,
dass jedes Lebewesen eine spirituelle Seele ist und als solche
niemals geboren wird und niemals stirbt. Darin besteht unsere
Unwissenheit. Die Seele ist ewig, immerwährend und uranfänglich,
nityah sasvato 'yam purano. Die Seele stirbt nicht, wenn der
Körper vernichtet wird, na hanyate hanyamane sarire.
Obwohl die Seele jedoch nicht stirbt, nimmt sie einen anderen
Körper an, und dies wird bhava-roga; die materielle Krankheit,
genannt.
Da Krishna das höchste Lebewesen ist, nityo nityanam
cetanas cetananam, sind wir genauso wie Krishna, jedoch mit
dem Unterschied, daß Krishna vibhu, unbegrenzt ist;
wohingegen wir, anu, begrenzt, sind. Qualitativ sind wir von
gleicher Beschaffenheit wie Krishna. Alle Neigungen, die Krishna
hat, kann man also auch in uns finden. bum Beispiel hat Krishna
die Neigung, jemand vom anderen Geschlecht zu lieben, und
daher ist diese Neigung auch in uns vorhanden. Liebe hat ihren
Ursprung in der ewigen Liebe zwischen Radha und Krishna. Wir
suchen ebenfalls nach ewiger Liebe, aber da wir von den materiellen
Gesetzen bedingt sind, wird diese Liebe unterbrochen. Wenn
es uns jedoch gelingt, diese Unterbrechung zu transzendieren,
wird es uns möglich sein, an einem liebevollen Austausch
wie dem zwischen Krishna und Radharani teilzunehmen. Unser
Ziel sollte also einfach darin bestehen, nach Hause, zu Krishna,
zurückzukehren, denn da Krishna ewig ist, werden auch
wir dort einen ewigen Körper erhalten.
Obwohl Krishna ewig und ungeboren ist, lesen wir manchmal,
dass Er Geburt nimmt. Aber selbst wenn Krishna geboren wird,
unterscheidet sich Seine Geburt völlig von der unsrigen.
Darüber sollten wir uns im klaren sein. Der Herr sagt
in der Bhagavad-gita (4.9):
janma karma ca me divyam / evam yo vetti
tattvatah
tyaktva deham punar janma / naiti man eti so 'rjuna
"Wer die transzendentale Natur Meines Erscheinens und
Meiner Taten kennt, wird nach Verlassen des Körpers nicht
wieder in der materiellen Welt geboren, sondern gelangt in
Mein ewiges Reich, o Arjuna."
Im Srimad-Bhagavatam heißt es, daß Krishna bei
Seinem Erscheinen nicht aus dem Leib Devakis geboren wurde,
sondern sich in Seiner majestätischen vierhändigen
Form als Vishnu offenbarte und dann zu einem kleinen Kind
auf Devakis Schoß wurde: Krishnas Geburt ist also transzendental,
wohingegen unsere Geburt uns von den Gesetzen der Natur aufgezwungen
wird. Krishna unterliegt nicht den Gesetzen der Natur; diese
Gesetze sind Ihm untergeordnet, mayadhaksena prakriti suyate
sa-caracaram. Prakriti, die Natur, ist der Leitung Krishnas
unterstellt, und wir sind der Herrschaft der Natur unterstellt:
Krishna ist der Herr der Natur und wir sind ihre Diener. Es
mag also den Anschein haben; daß Er genauso wie wir
geboren wurde, aber in Wirklichkeit war dies nicht der Fall.
Nur Toren sagen, daß Er wie ein gewöhnliches menschliches
Wesen geboren wurde. Dies wird von Krishna in der Bhagavad-gita
(9.11) bestätigt: avajananti mam mudha manusim tanum
asritam. "Da Ich wie ein Mensch erschienen bin, glauben
die Schurken und Dummköpfe, Ich sei ein gewöhnlicher
Mensch wie sie." Param bhavam ajanantah: "Sie
können das Mysterium des Erscheinens des Herrn als menschliches
Wesen nicht verstehen."
Krishna ist überall. Der Herr weilt im Herzen eines
jeden, isvarah sarva-bhutanam hrid-dese 'rjuna tisthati. Wieso
also sollte es Ihm, der Er in uns weilt und allmächtig
ist, schwer fallen, vor uns zu erscheinen? Als der große
Gottgeweihte Dhruva Maharaja in Meditation über den vierhändigen
Vishnu vertieft war, wurde seine Meditation, plötzlich
unterbrochen, und unvermittelt sah er die gleiche Gestalt,
über die er meditiert hatte, vor sich. Warum sollte es
für Krishna schwierig sein, auf diese Weise zu erscheinen?
Ebenso war es für Ihn auch nicht schwer, in der gleichen
vierarmigen Form vor Devaki zu erscheinen. Daher sagt Krishna,
janma karma ca me divyam: "Man muss Meine transzendentale
Geburt und Meine Aktivitäten verstehen."
Warum offenbart jedoch Krishna das Spiel Seiner Geburt? Um
diejenigen, die besonders fromm und im spirituellen Wissen
fortgeschritten sind zu verherrlichen. Krishna erscheint als
der Sohn Devakis, um Seine Geweihte Devaki zu verherrlichen.
Krishna wird zum Sohn Yasodas, um Yasoda zu verherrlichen.
Ebenso erscheint Krishna in der Dynastie Maharaja Yadus, Seines
großen Geweihten, nur um Maharaja Yadu zu verherrlichen.
Noch heute ist Krishna als Yadava, der Nachkomme Maharaja
Yadus, bekannt. Krishna ist nicht verpflichtet, in einer bestimmten
Familie oder einem bestimmten Land Geburt zu nehmen, aber
Er tut dies, um eine bestimmte Person oder Familie aufgrund
ihrer Hingabe zu verherrlichen. Aus diesem Grunde wird Seine
Geburt divyam, das heißt transzendental, genannt.
Der Herr ist im Gegensatz zu uns nicht verpflichtet, Geburt
zu nehmen. Darin besteht der Unterschied zwischen unserer
Geburt und der Geburt Krishnas. Wenn wir aufgrund unseres
Karma, unserer Aktivitäten, geeignet sind, in einer guten
Familie in der menschlichen Gesellschaft oder der Gesellschaft
der Halbgötter Geburt zu nehmen, werden wir dies auch
tun; wenn sich hingegen unsere Aktivitäten auf der Ebene
der Tiere befinden, werden wir in einer Familie von Tieren
geboren werden. Das ist die Macht des Karma. Karmana-daiva-netrena
jantor dehopapattaye (SB. 3.31.1). Entsprechend unserem Karma
entwickeln wir eine bestimmte Art von Körper.
Die menschliche Lebensform ist dazu bestimmt, den Höchsten,
die Absolute Wahrheit, zu verstehen, athato brahma-jijnasa.
Wenn wir uns jedoch nicht auf diese Weise bemühen, wenn
wir die Gelegenheit nicht wahrnehmen und einfach wie die Tiere
bleiben, werden wir zu einer tierischen Lebensform zurückkehren.
Daher versucht die Bewegung für Krishna-Bewusstsein die
Menschen davor zu bewahren, zur tierischen Lebensstufe herabzusteigen.
Das Erscheinen Sri Krishnas wird mit dem Wachsen der Sandelholzbäume
in den Malayabergen verglichen, malayasyeva candanam. Es gibt
zwei Malayas - die Malayaberge und den Teil der Welt, der
als Malaysia bekannt ist. Der Candana-Baum oder Sandelholzbaum
kann überall wachsen - er ist nicht gezwungen, nur in
Malaysia oder auf den Malayabergen zu wachsen. Da jedoch in
diesen Teilen der Welt Sandelholzbäume in großen
Mengen vorhanden sind; ist Sandelholz als malaya-candana bekannt.
In den westlichen Ländern gibt es ein Parfüm namens
Eau de Cologne. Es kann überall hergestellt werden, aber
weil es ursprünglich aus der Stadt Köln stammt;
ist es als Eau de Cologne bekannt: Ebenso kann auch Sandelholz
überall wachsen; doch weil es ursprünglich vorwiegend
in Malaysia und auf den Malayabergen zu finden war, ist es
als malaiisches Sandelholz bekannt.
Da Indien ein tropisches Land ist und Sandelholz eine kühlende
Wirkung hat, benutzen die Menschen in Indien Sandelholz als
Kosmetikum. Selbst heute noch tragen diejenigen, die es sich
leisten können, während der heißen Sommertage
Sandelholz auf ihren Körper auf und erfreuen sich auf
diese Weise den ganzen Tag einer erfrischenden Kühle.
In Indien war es früher üblich, dass man nach dem
Bad den Körper mit Tilaka-Zeichen heiligte, darauf der
Bildgestalt Ehrerbietungen darbrachte, etwas Candana-prasadam
aus dem Raum der Bildgestalt nahm und es als Kosmetikum auf
seinen Körper auftrug. Dies wurde Prasadhanam genannt.
Wie es jedoch im Srimad-Bhagavatam (12.2.5) heißt, gilt
für das Kali-yuga, das gegenwärtige Zeitalter: snanam
eva prasadhanam - wenn man nur ordentlich baden kann, das
ist bereits Prasadhana. In Indien nimmt sogar der Ärmste
am frühen Morgen ein Bad; als ich jedoch nach Amerika
kam, sah ich, daß es bereits problematisch sein kann,
auch nur einmal am Tag zu baden, und daß dies oft auch
gar nicht üblich ist. In Indien ist es normal, Menschen
dreimal am Tag baden zu sehen; in New York habe ich jedoch
gesehen, dass man; um zu baden; zum Haus eines Freundes gehen
muss, da es zu Hause keine Gelegenheit dazu geben mag. Dies
sind die Symptome des Kali-yuga. Snanam eva prasadhanam. Im
Kali-yuga wird es sogar schwierig sein, ein Bad zu nehmen.
Ein weiteres Symptom des Kali-yuga ist, daksyam kutumba-bharanam
(SB. 12.2.7): Wer nur imstande ist, seine Familie zu ernähren,
wird für seine frommen Handlungen berühmt sein.
Das Wort daksyam, berühmt für fromme Handlungen",
hat seinen Ursprung in daksa, was "erfahren" bedeutet.
Im Kali-yuga wird man schon als erfahren angesehen, wenn man
eine Familie bestehend aus sich selbst, seiner Frau und einem
oder zwei Kindern, ernähren kann. In Indien ist natürlich
die traditionelle Familie die Großfamilie; die aus dem
Mann und seiner Frau, deren Eltern, Kindern, Verwandten usw.
besteht. Im Kali-yuga wird es jedoch schwierig sein, eine
einfache Familie, die aus einem selbst, seiner Frau und ein
paar Kindern besteht, zu ernähren. Als ich in New York
lebte, war unter den Leuten, die zu unseren Vorlesungen kamen,
eine alte Frau, die einen erwachsenen Sohn hatte. Ich fragte
sie: "Warum heiratet Ihr Sohn nicht?" Sie antwortete:
" Er kann schon heiraten, aber erst, wenn er eine Familie
ernähren kann."
Ich wusste nicht, dass es hier mit solchen Problemen verbunden
ist, eine Familie zu ernähren. Dies wird jedoch im Bhagavatam
beschrieben: Wer eine Familie ernähren kann, wird als
glorreicher Mann angesehen, und von einem Mädchen, das
verheiratet ist, sagt man, es sei von großem Glück
begünstigt.
Es ist nicht unsere Aufgabe zu kritisieren, aber die Symptome
des Kali-yuga sind sehr eindringlich. Die Dauer des Kali-yuga
beträgt 432 000 Jahre, und obwohl erst 5000 Jahre verstrichen
sind, finden wir bereits so viele Schwierigkeiten vor, und
je weiter das Kali-yuga voranschreitet, desto schwieriger
werden die Zeiten. Daher ist es das beste, unser Krishna-Bewusstsein
zu vervollkommnen und nach Hause, zu Gott, zurückzukehren.
Das wird uns retten. Ansonsten, wenn wir zu einem weiteren
Leben im Kali-yuga zurückkehren, werden wir mit schweren
Zeiten konfrontiert werden und immer mehr leiden müssen.
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