Das erotische Prinzip im Bhakti-Yoga 

 Verfaßt unter der Leitung von Srila Bhaktisiddhanta Prabhupada von Sripad Narayandas Bhaktisudhakar (Professor Nishikanta Sanyal); Übersetzung aus dem englischen: Gopal das  (27.01.2007)

Bhaktisiddhanta Sarasvati Thakur
  Bhaktisiddhanta Sarasvati Thakur

Die sinnlichen Spiele Sri Krishnas

Die transzendentalen, sinnlichen Spiele Sri Krishnas mit den spirituellen Kuhhirtenmädchen von Vraja konstituieren die höchste Ebene des Dienstes zu Gott. Dies ist die Essenz der Lehren Sri Caitanya Mahaprabhus. Diese Lehren werden im Srimad Bhagavatam dargelegt, das eine konkrete und unzweideutige Darstellung dieser Religion der Liebe offenbart.

Sexualität und sinnliche Liebe

Niemand behauptet, daß das Prinzip der Liebe notwendigerweise mit Sexualität verbunden sein muß. Sinnliche Liebe, die eine sexuelle Komponente beinhaltet, wird indes als gefährliches Thema angesehen. Es ist schwierig zu verstehen, wie sinnliche Liebe ein völliges Eliminieren der sexuellen Komponente überstehen kann, wie es der scheinheilige Traum bestimmter empirischer Poeten und Gläubigen zu sein scheint. Die Empiriker haben gewichtige Einwände gegen das sexuelle Element, wie es auf höchst aufdringliche Weise und in seiner widerlichsten Form des polygamen Ehebruchs in die Erzählungen von den Spielen Sri Krishnas Eingang gefunden hat. Die unkonventionelle sinnliche Liebe von Vraja mit ihrer freimütigen sexuellen Unbekümmertheit wird von Moralisten und Soziologen besonders für Jungen und Mädchen im zarten Alter als zu starke Dosis betrachtet, wenn nicht sogar auch für Erwachsene, deren Geschmack und Phantasie nicht kultiviert ist. Die Vergötterung derber Leidenschaft ist eine höchst verderbliche Religion und ist das Überleben der Vorstellung der Promiskuität primitiver Wilder, derem Stadium die Menschheit noch nicht völlig entwachsen ist, trotz gemeinsamer Anstrengungen zahlloser Generationen. Kein vernünftiger Mensch kann daher der Aussicht, wieder zurückgeworfen zu werden auf die Stufe primitiver Rohheit und blanken Animalismus', ohne Schaudern entgegensehen. Jede Lehre, die die Menschheit auch nur ansatzweise entweder direkt oder indirekt auf die Stufe einer promiskuitiven Sexualität zurückführen will, hat sich selbst verdammt.

Sexualität unter den Pseudonachfolgern Sri Caitanyas

Im vorangegangenen Absatz habe ich ganz unvoreingenommen versucht, den Standpunkt des Erotikgegners zu erfassen, und ich habe dafür ohne Gewissensbisse eine deutliche Ausdrucksweise verwendet. Zu erwähnen sei auch, daß er wahrhaft häßliche Fakten zur Untermauerung für seine Befürchtungen anführen kann und dies auch getan hat. Die beinahe offenen Ausschweifungen des Abschaums der sogenannten Nachfolger Sri Caitanya Mahaprabhus, die keinerlei Bedenken hatten, ihren Verfall den Lehren Sri Caitanya Mahaprabhus zuzuschreiben, wurden von mehr als einem achtbaren Schreiber bestätigt. Die Tatsache der weiten Verbreitung sexueller Verderbtheit bei bestimmten Gruppierungen, die sich selbst als Nachfolger Sri Caitanya Mahaprabhus bezeichnen, ist so schmerzlich wahr, daß ich es für unnötig und unredlich halte, die Rolle eines Fürsprechers für solche Leute zu spielen, und ich werde nicht aufhören über die Auffassung zu diskutieren, ob diese Beschuldigungen eine Übertreibung sind, was sie möglicherweise auch sind.

Sri Caitanya verurteilt weltliche Sexualität

Meines Wissens wird die sexuelle Beziehung, die man heutzutage gewöhnlich nach dem Grundsatz der Moral zu regulieren versucht, von keinem der Autoren, die Einwand erheben gegen die schädlichen Tendenzen der Lehren Sri Caitanyas und des Bhagavatams, als völlig unrein verdammt. Sie sollten daher überrascht sein zu erfahren, daß die Sexualität selbst in eindeutiger Weise vom Srimad Bhagavatam, von Caitanya Mahaprabhu, Seinen Gefährten sowie Seinen herausragendsten Nachfolgern verurteilt wird. Die Schwierigkeit, der ich mich bei dieser Diskussion gegenübersehe, ist nicht so sehr, den Beweis zu erbringen, daß sie nicht die Sexualität verurteilen, sondern den viel verwirrenderen Umstand zu beweisen, daß sie das Prinzip der Sexualität selbst als die schädlichste aller Verlockungen verdammen, denen wir in unserem sündhaften Zustand ausgesetzt sind.

Die Oase der empirischen Sittenlehre

Das moralische Prinzip einer empirischen Sittenlehre gründet auf einer Idealvorstellung der menschlichen Persönlichkeit, die in einer Weiterentwicklung aller Fähigkeiten und Triebe, die zur menschlichen Rasse gehören, besteht. Nach dieser Auslegung gibt es keine Triebe oder Eigenschaften, die für sich nutzlos oder unmoralisch sind. Die richtige Verwendung jeder Fähigkeit vervollkommnet deren Wert und Qualität. Wird diese Methode der Optimierung auf den Sexualtrieb angewendet, erhalten wir einen Grundsatz, der es nicht nur rechtfertigt, sondern sogar notwendig macht, das Ausüben der Sexualität in geeigneter Weise zu schützen, um einen Anstieg von sexueller Potenz und Anwendungsmöglichkeiten sicherzustellen. Dieses Ideal wird unter dem Leitsatz der empirischen Moral auf den verschiedensten Gebieten von Ästethik und Wissenschaft von Dichtern, Schriftstellern, Malern, Künstlern, Ärzten, Chemikern, Biologen usw. in einem bewußt organisierten, gründlichen Plan speziell im modernen Europa auch tatsächlich verwirklicht. Die Lehren des Bhagavatams werden von den empirischen Moralisten und ihren Anhängern auf dem Boden von Taktlosigkeit, Rohheit und dem Wunsch nach weltlicher Weisheit kritisiert. Selbst die Überlegenheit der christlichen und mohammedanischen Religionsgemeinschaft wird von den Gläubigen, die sich unter dem Einfluß der empirischen Moraldoktrin befinden, wenigstens zum Teil auf ihre sozialen Grundsätze und ihrer vernünftigen Handhabung des Sexualproblems durch die Verdammung von sexuellen Exzessen und Promiskuität zurückgeführt. Der Grundsatz völliger sexueller Enthaltsamkeit, der von diesen Religionen ebenfalls gefordert wird, wird als mehr oder weniger folgenloser Irrtum abgetan.

Die Entwicklung von Körper und Geist: nutzlos für die Seele

Sri Caitanya Mahaprabhu lehnt obige Idealvorstellung einer menschlichen Persönlichkeit in Übereinstimmung mit dem Srimad Bhagavatam ab. Nach Ihm hat die Entwicklung von Fähigkeiten des seelenlosen Körper-Geist-Systems keinerlei Verbindung mit der eigentlichen individuellen Seele, die sich jenseits des Einflußbereiches jeglicher Handlungen und Erfahrungen unserer gegenwärtigen trügerischen Existenz befindet. Der Geist ist ein Hilfsmittel der Seele, der sich in der jetzigen Daseinsform mit Einwilligung seines Meisters unter der Knechtschaft der Materie befindet.

Seele kontra Materie

Diese unnatürliche und anscheinend unmögliche Einheit zwischen Seele und Materie ist ein Mysterium, das alle Bemühungen um eine Erklärung mit Hilfe empirischer Wissenschaften durchkreuzt hat. Das Kausalitätsprinzip, auf dem jede induktive Methode beruht, läßt sich auf diese ursächliche Tatsache nicht anwenden. Die Seele findet sich verquickt mit der Materie, mit der sie nichts gemein hat, und ist aus allen Erfahrungen heraus überzeugt, daß sie dem Begrenzten und Unbewußten, d.h. dem Nicht-Spirituellen, zugehört. Weil es allen bekannten Quellen unseres gegenwärtigen Verständnis- und Erfahrungsbereiches unbegreiflich ist, wurde dieses Problem einfach aus den Lehrplänen der empirischen Wissenschaft ausgeklammert. Aber die Unkenntnis dieser Thematik bleibt trotzdem das fatale Manko, das all ihre Schlußfolgerungen von Grund auf verfälscht. Wenn also die empirische Sittenlehre einen materiellen Zustand dem Idealbild der menschlichen Persönlichkeit zugrunde legt, dann ist diese Annahme der Grund dafür, daß man den Geist in seiner gegenwärtigen Lage als unentwickelte menschliche Seele begreift, der in der Lage ist, seinen Weg bis zum Gipfel der Vollkommenheit zu finden, indem er einfach fortfährt, seine Fähigkeiten und Gelüste, sich mit der Materie zu vermengen, zu vermehren, oder mit anderen Worten, seine Einheit mit der Materie als eine permanente Tatsache, die eben seinem Wesen entspricht, zu begreifen. Aber ganz unbefangen betrachtet gibt es keinen Grund zur Annahme, die Seele sei auf irgendwelche materiellen Dinge angewiesen, aus dem einfachen Grund, weil sie die Seele ist. Sri Caitanya Mahaprabhu hält fest, daß die Seele ewig und völlig getrennt von der Materie ist. Im abgesonderten Zustand unterliegt sie dem falschen Eindruck, sie hätte eine enge Beziehung zur Materie. Alles, was auf eine Bestätigung dieses falschen Eindruckes abzielt, behindert ihre Rückkehr zu ihrem natürlichen Zustand eines unbegrenzten Daseins. Jeder Versuch, die sexuelle Potenz, die ja darauf ausgerichtet ist, die Verbindung zur Materie zu bilden, zu steigern, wird den Zustand der Illusion verlängern. Sexuelle Kraft hat für die Seele keinen Belang. Wenn solche Vorstellungen von Sexualität in Literatur, Wissenschaft und Kunst Einzug halten dürfen, kann man mit diesen Sachgebieten gerade deshalb keine Nähe zur Seele erreichen. Wenn jemand einen Berg hochheben kann, beweist das dann, daß seine Seele groß ist? Materie, d.h. jede Fähigkeit, jeder Trieb, die ihren Wert aus materiellen Wirkungen oder Möglichkeiten ableiten, sind für die Seele völlig bedeutungslos. Die Seele ist ewig und grundsätzlich von Materie verschieden.

Unsere gegenwärtig fehlgeleiteten Aktivitäten

Gemäß Sri Caitanya Mahaprabhu ist das Idealbild eines Menschen das von einer von ihrer Gefangenschaft in der Materie befreiten Seele und ihres Wirkens auf der Ebene des Absoluten, zu der sie von ihrem Wesen her gehört. Die Fähigkeiten und Triebe unseres gegenwärtigen Geistes sind eine Verzerrung der entsprechenden Grundsätze der Seele in ihrem reinen Zustand. Daher ist es nicht nur unnötig, sondern auch auf positive Weise schädlich zu versuchen, die Möglichkeiten und Betätigungsfelder unserer gegenwärtigen irrigen Handlungen zu erweitern. Das wahre Ideal erfordert eine Richtungsänderung weg von materiellen Objekten hin zur Spiritualität. Deshalb sollten wir Abstand nehmen vom Streben, das Leistungsvermögen und den Anwendungsbereich unseres Sexualtriebes zu steigern, und statt dessen versuchen, die Seele von jedem falschen Ideal, das sich aus der Erfahrung dieser Welt ableitet, durch Rückbesinnung auf eben sie selbst abzubringen, um auf diese Weise das wahre Ziel zu finden.

Sri Caitanyas Meinung zur Sexualität

Sri Caitanya Mahaprabhu ist weder Fürsprecher roher oder gebildeter Sinnlichkeit noch völliger sexueller Abstinenz. Er steht jenseits solch positiver oder negativer Verbindungen zur Materie. Er möchte, daß die emanzipierte Seele ihr wesensgemäßes Ideal findet. Seiner Meinung nach ist es nicht möglich, auf künstliche Art die Aufgabe der freien Seele auf Grundlage ihrer falschen Existenz festzustellen. Hält man sich diesen fundamentalen Unterschied zwischen Sri Caitanya Mahaprabhu und den empirischen Moralisten betreffend die Idealvorstellung der menschlichen Persönlichkeit deutlich vor Augen, dann sollte es möglich sein, Seine Haltung gegenüber dem Sexualprinzip nicht mißzuverstehen. Sri Caitanya sieht Sexualität auf die selbe Weise wie jedes andere Phänomen dieser Welt, nämlich als etwas, das sich dem vorurteilsfreien Verstand mit zwei Gesichtern präsentiert. Sie mag entweder als integraler Bestandteil unserer ewigen Natur aufgefaßt werden oder als nebensächlicher Faktor, der mit unserem wahren Selbst keine Verbindung hat. Die Empiriker halten es mit ersterer Ansicht. Nach Sri Caitanya Mahaprabhu ist Sexualität eine vorübergehende Angelegenheit und gehört als solche zu diesem sich stets wandelnden Dasein. Sie kreuzt eben auf die eine oder andere Art unseren Weg, solange wir dieser weltlichen Existenz unterworfen sind, und natürlich ist es nötig, nach gewissen Verhaltensregeln mit ihr umzugehen. Diese Regeln sollten mit unserer Idealvorstellung der menschlichen Persönlichkeit konsistent sein.

Die materielle Welt - eine verzerrte Spiegelung der spirituellen Welt

Wenn nun die von den materiellen Ketten befreite Seele unser Ideal ist, dann sollten wir uns der Sexualität gegenüber so verhalten, daß wir dadurch nicht unsere gegenwärtigen unnatürlichen Sehnsüchte nach einer bestimmten Form materieller Aktivitäten stärken. Dazu müssen wir zuallererst einmal klar zu erkennen versuchen, daß die Welt, wie sie uns von den materiellen Sinnen vorgegaukelt wird, nicht die Welt ist, mit der unsere Seele etwas zu tun hat. Die Seele gehört zu ihrer eigenen, davon getrennten Welt. Sie ist nicht bloß eine Abstraktion, noch ist die spirituelle Welt eines unserer materiellen Hirngespinste. Gerade das Gegenteil davon ist die wirkliche Wahrheit. Diese materielle Welt ist nur eine verzerrte Widerspiegelung der spirituellen Welt. Sie ist der Schatten, die Abstraktion der spirituellen Welt, welche von echter Substanz ist. Irgendwie hat unsere Seele, eine Bewohnerin der spirituellen Welt, jede Erinnerung an diese substanzielle Welt verloren. Doch die Merkmale der spirituellen Welt werden auf verdrehte Weise in diese materielle Welt heruntergespiegelt. Eben diese Welt wird uns auf diese verzerrte und unverständliche Art von unseren fehlerhaften Sinnen vorgetäuscht. Die schlafende Seele ist selbst für diese Verzerrung verantwortlich. Es ist dies das unausweichliche Ergebnis der falschen Nutzung des freien Willens, der ein fundamentales Prinzip der Seele ist. Die Seele ist frei zu entscheiden, ob sie der Absoluten Wahrheit dienen will. Genauso frei kann sie den gegenteiligen Weg einschlagen.

Die Freiheit der Seele

Die wahre Aufgabe des freien Willens ist es, der Wahrheit zu dienen, oder anders gesagt, darauf vorbereitet zu sein, ihre natürlichen Grenzen zu erkennen und sich der Führung einer höheren Vernunft zu ergeben, wann immer letztere sich zu erkennen gibt. Gefallene Seelen haben sich absichtlich geweigert, ihre eigene Winzigkeit anzuerkennen, und sich der Führung der höheren Vernunft entzogen. Tatsächlich haben sie sich aufgemacht, sich ihre eigene Welt zu bilden mit all ihren dürftigen Mitteln. Die gegenwärtige Welt ist das Ergebnis dieser illoyalen Vorgansgweise. Wissentlich haben wir unseren Hals in eine Schlinge gesteckt, die uns mit eisernem Griff festhält, und immer noch besteht die gleiche ursprüngliche Perversität und hält uns davon ab, uns unserer natürlichen Position zuzuwenden. Solange diese irrationale Perversität fortbesteht, sind wir dazu verurteilt, in der Unwissenheit herumzutappen und die Früchte für den bewußten Mißbrauch unseres freien Willens zu ernten in Form dieses unbedeutenden Daseins aus Sünde und Tod. Unter genau dieser Führung einer verkehrten Vernunft haben wir uns auch diese empirische Wissenschaft des sich Verhaltens aufgebaut. Die empirischen Wissenschaften, die das Ergebnis der Anstrengungen der Vernunft sind, die Folgen ihrer Torheiten loszuwerden, sind die wahren Ketten, geschmiedet von ihnen selbst, die die Seele mehr und mehr an eine falsche Existenz binden. Der erste Schritt zur Umkehr hat also im Versuch zu bestehen, ernsthaft das Wesen dieser Perversität oder Sünde zu erkennen. Hat man dies einmal klar verstanden, werden dieselben Wissenschaften, die uns bisher dazu gedient haben, unsere Unwissenheit zu zementieren, von größtem Nutzen sein, uns von den Fesseln dieser Welt zu lösen. Nichts ist verloren durch eine Richtungsumkehr, aber alles kann dadurch im einzig wahren Sinn wiedergewonnen werden.

Die Liebschaften Sri Krishnas - Medizin für die Seele

Das Srimad Bhagavatam und Sri Caitanya Mahaprabhu erzählen uns von dieser transzendenten Existenz, in der, trotz analoger Ähnlichkeiten, alles von dem verschieden ist, mit dem wir in dieser Welt vertraut sind, so wie die Substanz von ihrem verzerrten Schatten verschieden ist. Die Liebschaften Sri Krishnas unterscheiden sich grundlegend von den sexuellen Verhaltensweisen der Lüstlingen dieser Welt, denn sie sind ewige Wahrheit, während letztere nur eine unvollkommene verzerrte Reflexion davon sind. Es ist unsere ewige Pflicht, alles mit dem Einen zu tun zu haben, und überhaupt nichts mit anderen. Wir werden frei von den Verlockungen und Fallstricken der Sexualität, wenn wir das Wesen der Liebschaften des göttlichen Paares erkennen. Das Wissen um die spirituellen Liebschaften Sri Radha-Krishnas ist das Heilmittel für die erkrankte Seele, die vom Leid der Sexualität befallen ist. Die Liebschaften des göttlichen Paares sind die höchste Wahrheit und das letzte, das es auf dem Weg spiritueller Entwicklung zu erkennen gibt. Das ist die Lehre des Srimad Bhagavatams.

Die Höchste Wahrheit - wie man sie erreichen kann

Dieses Ziel müssen wir durch eine schrittweises Entwicklung erreichen. Zuerst einmal ist es notwendig, die Botschaften aus der spirituellen Welt von den Lippen derjenigen zu hören, die diese ewige Existenz auch tatsächlich verwirklicht haben. Nur solche Persönlichkeiten können das Srimad Bhagavatam in geeigneter Form darlegen. Sri Caitanya Mahaprabhu ist der vollendete Verkünder des Srimad Bhagavatams. Sein Leben ist das Srimad Bhagavatam verkürzt auf die Pflichten des täglichen Lebens in dieser Welt, um uns zu ermöglichen, die Wahrheit wirklich zu verstehen und verwirklichen. Wer unvoreingenommen die erleuchtenden Schriften liest, die von Seinen Gefährten und wichtigsten Nachfolgern verfaßt wurden, mit dem Ziel, die Besonderheiten Seines Lebens und Seiner Lehren allen nachfolgenden Generationen weiterzugeben, wird mit Sicherheit die dringende Notwendigkeit für jeden von uns erkennen, Seinen Fußspuren zu folgen.

Die Notwendigkeit, sich einem Lehrer zu ergeben

Dadurch wird es uns möglich zu verstehen, daß die spirituelle Welt wahrhaftig existiert, daß sie das Reich des Wahren Absoluten ist, daß sie nicht durch unsere eigenen Bemühungen erreicht werden kann, einfach deshalb, weil der Höchste Herr sich weigert, sich einer eigensinnigen, winzigen Seele zu offenbaren, daß es notwendig ist, sich der Höchsten Wirklichkeit durch die Methode der Unterwerfung zu nähern, daß diese Methode der Unterwerfung ebenfalls durch die Methode der Unterwerfung von denjenigen erlernt werden muß, die die Absolute Wahrheit tatsächlich verwirklicht haben, und daß unter uns wirklich solche von Gott gesandten Lehrer der Religion existieren. Hat man einmal die Notwendigkeit klar erkannt, daß man sich dem spirituellen Lehrer ergeben muß, dann wird es einem dadurch möglich, den richtigen spirituellen Lehrer zu finden. Das ist die erste Manifestation der Absoluten Wahrheit für einen aufrichtig Suchenden. Die nächste Stufe des Fortschritts besteht darin, den transzendentalen Worten des echten Lehrers aufmerksamen zuzuhören und sie gleichzeitig in dem Maße praktisch anzuwenden, wie man sie verstanden hat - so werden sie sozusagen vom Verstand bestätigt. Nur nachdem wir uns einem vollständigen Lernprozeß unterzogen haben, kommen wir in die Lage, das Ziel zu erreichen, nämlich ein richtiges Verständnis von den transzendentalen Liebschaften des göttlichen Paares.

Pseudo-Nachfolger Sri Caitanyas

Die spirituelle Schulung ist unerläßlich und zugleich der Schlüssel für unsere Situation. Wer von sich behauptet, das Bhagavatam zu verstehen, ohne durch einen solchen vollständigen Lehrgang gegangen zu sein, bei dem er sich einem echten Lehrer aufrichtig hingegeben hat, dem bleibt der Zugang zum wahren Verständnis der Erzählungen des Bhagavatams versperrt. Es gibt viele solche vorgeblichen Nachfolger Sri Caitanya Mahaprabhus, die die Notwendigkit, seine Lehren zu folgen, nicht anerkennen wollen. Sie ernten bei ihr Studium des Bhagavatams nur sündhafte Reaktionen und gehen ihrem Untergang entgegen. Ihre falschen Auslegungen sowie ihr verdorbenes Benehmen dürfen unserem redlichen Suchen nach den wahren Lehren des Srimad Bhagavatams, wie es von Caitanya Mahaprabhu und seinen Nachfolgern gelebt und gelehrt wurde, nicht im Wege stehen.

Eignung für den Dienst zu Sri Krishna

Sri Caitanya Mahaprabhu hat erklärt, daß nur die Bewohner von Vraja - und hier insbesondere die Kuhhirtenmädchen - Krishna sachkundig dienen, und daß es für niemanden, der nicht vollkommen frei von Sünde ist, möglich ist, das Wesen dieses Dienstes zu begreifen. Um zu verstehen, worin dieser wahrhaft besteht, und um solchen Dienst richtig auszuführen zu können, muß man ein vorschriftsmäßiges spirituelles Training unter der Führung eines geeigneten Lehrers absolvieren. Wenn wir solchen Dienst erlangen, erkennen wir die wahre Aufgabe unserer Seele. Dieser Dienst kann nicht mit den Mitteln dieses Körpers und Geistes ausgeführt werden. Er wird von der reinen Seele ausgeführt, die völlig frei von jedem weltlichen Drang ist, dem sexuellen eingeschlossen. Dieser Dienst ist eine Sache der spirituellen Verwirklichung, nicht ein affenartiges Nachahmen mit Hilfe unserer gegenwärtigen derben Phantasie. Durch aufrichtige, d.h. überzeugte Unterwerfung unter die Regeln einer spirituellen Schulung, wie sie von den Schriften und von kompetenten Meistern dargelegt werden, wird es einem möglich, eine solch vollkommene geistige Reinheit zu erlangen. Die Absolute Wahrheit offenbart sich freiwillig einem solcherart durch ehrliche Bemühung gereinigten und Sie suchenden Geist, denn nur Sie hat die Macht, diese Initiative zu ergreifen. Absolute Reinheit des Geistes ist erreichbar. Relative Reinheit ist nur Lug und Trug und obendrein völlig zwecklos. Niemals sollte das Bhagavatam gelesen werden, ohne sich diese Warnung der Schriften vor Augen zu halten. Ansonsten ist es ganz gewiß, daß man Spirituelles und Materielles durcheinanderbringt, und als Strafe dafür erntet man eine entschiedene Abneigung gegen genau die Medizin, die einen von der Sterblichkeit heilen kann, oder man wendet sie so falsch an, daß man sich völlig dabei ruiniert. Nicht Ungeduld oder Aberglauben, sondern die höchste Erkenntnis des unvoreingenommenen Verstandes in seinem Bemühen, seinen eigenen, wesensgemäßen Grundsätzen gegenüber absolut loyal zu sein, läßt uns dorthin kommen, oder anders gesagt, die richtige Anwendung der Ratio ist der zielsichere Führer für unser wahres Selbst.

Die spirituellen Kuhhirtenmädchen von Vraja dienen Krishna mit all ihren spirituellen Sinnen, und zwar ausschließlich zu Seiner Zufriedenstellung. Sri Krishna ist eine echte Person. Er ist der alleinige Eigentümer von allem. Wir sind Sein Eigentum. Unsere ewigen Sinne sind ebenfalls Sein Eigentum. Er hat ebenso Sinne wie unsere Seele, die als Sein Abbild aus Ihm hervorgeht. Unsere gegenwärtigen Sinne sind nur eine unvollständige Verzerrung der Wirklichkeit, und mit Hilfe dieser Sinne wollen wir gegenwärtig nur uns selbst dienen.

Unsere Vorstellung, die Genießer zu sein - ein Trugschluß

Wir sind uns dessen zwar nicht voll bewußt, aber in Wahrheit dienen wir nur unseren Sinnen, weil unsere Seele so beschaffen ist, daß sie Dienst anbieten, aber keinerlei Dienst vom Bedienten annehmen kann. Wenn wir also uns selbst nicht dienen können und auch Sri Krishna nicht dienen wollen, sind wir dadurch notwendigerweise in Täuschung gefangen. In diesem irrigen Zustand halten wir uns fälschlicherweise für die Eigentümer unserer Sinne, was darauf hinausläuft, wie Sri Krishna sein zu wollen. Das betrifft beiderlei Geschlechter gleichermaßen. Männlein wie Weiblein dieser Welt betrachten sich als die Besitzer ihrer Sinne und ihre Sinne als Mittel zur eigenen Befriedigung. In diesem Sinne sind wir alle, unabhängig vom Geschlecht, männlich, d.h. nach spiritueller Lesart Meister oder Genießer, obwohl dies Einbildung ist, denn von unserem Wesen her sind wir nicht Meister, sondern Diener. Sri Krishna ist der einzige Meister über alles, unsere Seelen eingeschlossen. Diese Tatsache wird in verzerrter Form im Prinzip der Sexualität widergespiegelt. Wir gehören ebenso wie unsere Sinne zur Kategorie des Besitztums. Deshalb ist es praktisch, uns in diesem Zustand der Täuschung mit den Sinnen zu identifizieren und deren vermeintlichen Genuß als unseren eigenen mißzuverstehen. Aber in der Transzendenz gibt es keine trennende Linie zwischen der Seele und ihren Sinnen, so wie jene zwischen Meister und Eigentum. Dies alles ist für unseren momentanen Verstand nur in einem geringen Maße erfaßbar. Im gefallenen Zustand denken wir, die als von uns getrennt aufgefassten Sinne würden erfreut, indem wir ihrem Diktat folgen, und diese Übung für die Funktion unseres Selbstbewußtseins entspricht wiederum einer getrennten Auffassung von uns selbst.

Die Kuhhirtenmädchen von Vraja

Die Kuhhirtenmädchen von Vraja sind das Eigentum Sri Krishnas, und sie sind sich dieser Beziehung vollkommen bewußt. Diese Haltung kommt dadurch zum Ausdruck, daß man sagt, sie seien weiblich. Männlich sind in Vraja diejenigen, die spirituell gleichgestellt sind, d.h., die sich nie auch nur teiweise in einem Irrglauben befinden, wenn man sie als Einwohner Vrajas bezeichnet, selbst wenn sie mit Sri Krishna in Berührung sind. Die spirituellen Kuhhirtenmädchen von Vraja sind weder die Meister noch die Sklaven ihrer Sinne, wie wir es gerne sein möchten. Sie sind nicht wie unsere spekulierenden, fehlgeleiteten Moralisten, die immer einem Schatten nachlaufen. Sie sind die einzigen Realisten, sie wissen, wie keiner von uns wirklich je weiß, daß alles Sri Krishna gehört, daß alles nur Ihm dient, daß es sogar jedermanns Vorrecht ist zu erkennen, daß Sri Krishna sein oder ihr Meister ist. Das ist reines spirituelles Bewußtsein. Diese vollkommen reine Sicht besitzen ausschließlich die Kuhhirtenmädchen von Vraja. Darum sind nur sie allein wahrhaft Abhängige, d.h. wirkliche Diener Sri Krishnas, und niemand versteht wie sie, daß nichts, sie eingeschlossen, ihnen selbst, sondern alles, sie selbst wie auch ihre Sinne, Sri Krishna gehört.
Die empirischen Moralisten übersehen die Tatsache, daß unsere Sinne in Wahrheit nicht uns gehören. Wir können nicht bewirken, daß unsere Augen sehen oder unsere Nasen riechen. Sie gehorchen uns nicht. Sie gehorchen ihrem wahren Meister, dem sie alleine gehören. Alles ist Sri Krishna untergeordnet. Alles dient in Wahrheit nur Seinem Genuß. Das ist nicht nur konsistent mit dem moralischen Prinzip, vielmehr ist es seine vollkommene Erfüllung.

Die Philosophie der männlichen und weiblichen Formen

Das weibliche Prinzip in Form der Unterordnung unter das Männliche ist in unserer spirituellen Existenz eine Tatsache. In allen Phasen Seiner Liebesspiele ist Sri Krishna der einzige Mann, alle anderen von uns sind Frauen. Das ist das genaue Gegenteil unseres gegenwärtigen Idealbildes, daß nämlich wir das Männliche verkörpern, während alles andere abhängig, d.h. für unseren Genuß bestimmt ist. Im Reich des Absoluten, wo sich die Seele ihrer wahren Beziehung zu Sri Krishna bewußt ist, kann sie sich frei bewegen. Doch in dem Augenblick, da sie sich als Meister aufspielen will, d.h., da sie die Rolle eines Mannes übernehmen will, ist ihre Bewegungsfreiheit verkümmert, behindert, verzerrt. Diese pervertierten Handlungsweisen werden durch den Widerstand der Absoluten Wahrheit von allen Seite behindert. Die lästerliche Seele fällt aus allem heraus, sobald sie sich von Sri Krishna abwendet.

Der Fehler der gefallenen Seele

In ihrem Versuch, alles zu genießen, erleidet sie durch eben diejenigen Dinge Bestrafung, die dazu dienen, sie durch eine verführerische Reaktion auf ihre verrückte Sucht nach Sinnengenuß immer weiter in den Abgrund der Unwissenheit zu locken. Im normalen Zustand helfen ihr dieselben Dinge bei ihrem Dienst zu Sri Krishna. Noch einmal, die Seele behält ihren natürlichen Zustand solange bei, solange sie der Absoluten Person mit allen Mitteln und sich ihrer selbst völlig bewußt dient. Doch ist sie in ihrem Willen frei und will vielleicht der Absoluten Wahrheit gar nicht dienen. Darin besteht insofern ein Mißbrauch des freien Willens, als es ein Vergehen gegen das Prinzip der reinen Vernunft ist, die ebenso ein integraler Bestandteil ihrer ewigen Natur ist. Als Folge dieser freien Wahl, entgegen den Grundsätzen der Vernunft zu handeln, nimmt die irrige Vorstellung, eine von Sri Krishna unabhängig existierende Einheit zu sein, sie fest in Besitz. Nun findet sie sich ausgestoßen aus dem Reich des Absoluten unter der rigorosen Kontrolle der illusionierenden bzw. materiellen Energie Sri Krishnas. Die gefallene Seele versucht sich somit in dieser Welt mit Hilfe ihrer Vernunft, der sie freiwillig auf verschiedenste Arten Beschränkungen auferlegt hat, Freude zu bereiten. So kommt es zur Entstehung des falschen Egos (Ahankara).

Egoisten sind Genießer

Wir sind alle Egoisten. Wenn wir das Bhagavatam lesen, sehen wir daher Sri Krishna notwendigerweise als Egoisten wie uns selbst, der mit Hilfe seiner übernatürlichen Kräfte nach materiellem Sinnengenuß sucht. Zu uns Egoisten kommt dieser Dienst der Kuhhirtenmädchen von Vraja daher in der Gestalt des traurigen Schicksals der Opfer unserer eigenen gewissenlosen Lust. Der Egoist will nie der Gegenstand des Genusses eines anderen sein. Das gilt sowohl für Männer wie für Frauen. Frauenrechtlerinnen stehen ihrem Geschlecht nicht ablehnend gegenüber. Sie versuchen lediglich, die unnatürliche Beherrschung durch Personen abzuschütteln, die sich selber nicht eingestehen wollen, unter dem Vorwand von Sex ebenso bloß genossen zu werden. Tatsache ist jedoch, daß beide Geschlechter die Genießer, nicht die Genossenenen, sein wollen. Daher sind sie alle Männer. Es gibt keine wirklichen Frauen, d.h. solche, die sich genießen lassen, in dieser Welt, sondern nur eine universelle Genußsucht.

Sri Krishna, der Einzige Genießer

Im spirituellen Reich ist Sri Krishna der einzige Genießer, und alles andere ist Gegenstand Seines Genusses. Aber diese Fügung ist keine Verzerrung oder Verneinung, sondern gerade die Erfüllung aller wahren Wünsche des wirklichen Selbst aller Wesen.
So wie Sri Krishna der einzige Meister ist, so ist er auch Sein einziger Höchster Diener. Im Absoluten läuft alles zusammen. Es ist Sri Krishna, Der Sich mittels Seiner dienenden Kraft Selbst dient, und niemand anders könnte Sri Krishna besser dienen als Er Selbst. Unabhängig von Sri Krishna ist es uns daher weder möglich Meister zu sein, noch Diener.

Wir sind Funken der Macht Sri Krishnas, doch nicht der mächtige Sri Krishna. Wir haben Wesenszüge von Ihm, sind aber nicht die Quelle dieser Wesenszüge. Doch obwohl wir nach Seinem Wesen sind, unterliegen wir der Verführung durch eine andere Kraft, die ebenfalls Sri Krishna gehört und von unseren Schriften Maya, d.h. das, wodurch alles gemessen wird, das Prinzip der Begrenzung, genannt wird. In ihrem reinen Zustand ist die Seele keinerlei Begrenzungen unterworfen, obwohl sie nur ein winziger Bruchteil der göttlichen, spirituellen Essenz ist, denn in der Transzendenz gibt es keine scharfen und aprupten Trennlinien, die es ermöglichen würden, wie materielle Phänomene gemessen zu werden. Dies jedoch wird leicht mißverstanden. Die Seele als winziges Teilchen der göttlichen spirituellen Essenz funktioniert nur im Reich des Absoluten, und dort ist sie frei von jeder Begrenzung, aber sie ist der Möglichkeit ausgesetzt, aus der spirituellen Welt hinausgeworfen zu werden, sobald sie nur einmal ihre Winzigkeit vergißt und der Führung durch den Herrn abschwört. Solange sie sich von Sri Krishna führen läßt, ist sie frei von Begrenzung und Unwissenheit.

Im Reich des Absoluten also kennt die Seele unter der Leitung Sri Krishnas keinerlei Begrenzungen. Ihre Aufgabe ist es Sri Krishna zu dienen. Dienst beinhaltet die Kenntnis um die Wünsche des Herrn. Auch bedeutet dies, daß es einen Unterschied oder die Möglichkeit eines Unterschiedes zwischen den Wünschen des Dieners und denen des Dienstherrn gibt. Die Wünsche des Herrn müssen deshalb dem Diener mitgeteilt werden, wie sonst könnte er sie kennen. In unserer Welt werden solche Wünsche nur unvollkommen mit Hilfe materieller Substanzen transportiert. Der Befehl ist von seiner Herkunftsquelle klar unterscheidbar. In der spirituellen Welt kann es keinen solchen Unterschied geben. Der Diener kennt die ganze Fülle der Anweisung, die Sri Krishna Selbst ist. Im spirituellen Reich muß es daher Sri Krishna Selbst sein, der sich stets Seinen Dienern in Form Seiner Anweisungen zu erkennen gibt. Doch Sri Krishna als der Herr kann vom Diener nicht verstanden werden. Das würde den Unterschied zwischen Herrn und Diener sofort eliminieren. Wenn Er will, daß Sein Diener Ihn erkennt, muß Er sich diesem in jener Form zu erkennen geben, in der Ihn der Diener auch als Meister erkennt. Aus diesem Grund wird Sri Krishna Sein eigener Diener, in Dessem Herzen Er als Herr erscheint.

Sri Radhika, das dienende Gegenüber

Dieses Konzept, um einen weltlichen Begriff zu verwenden, wird uns durch Sri Krishna als Diener nahegebracht. Diese dienende Gegenstück zu Sri Krishna nennen unsere Shastras Sri Radhika. Sie verkörpert das Weibliche bzw. das dienende Prinzip sowie das untrennbare und ewige Gegenüber Sri Krishnas Selbst. Sie ist das führende Kuhhirtenmädchen von Vraja. Um Sri Krishna zu dienen, erweitert Sie Sich in die anderen Kuhhirtinnen von Vraja. Sie ist Sri Krishnas Kraft, und der Wesenskern jeder Kraft ist Sie, auch das Prinzip der Begrenzung selbst.

Die Kuhhirtenmädchen von Vraja vergessen Krishna niemals, denn sie sind die direkte spirituelle Kraft Sri Krishnas. Anderseits aber ist Krishna Selbst ja manifestiert, womit er in der Lage ist, durch sie Dienst anzunehmen. Die Macht Sri Krishnas ist zugleich Ihr Ursprung. Das Prinzip von Begrenzung bzw. Unwissenheit ist ebenfalls in Ihr, jedoch ohne Macht über Sie.

Die menschliche Seele ist ein winziges Teilchen der spirituellen Essenz in einem empfindlichen Gleichgewicht zwischen den beiden Kräften, nämlich der spirituellen Kraft Krishnas und ihres materiellen Schattens. Die Seele muß also Sri Krishna unter der Führung der reinen spirituellen Kraft dienen, und um Sie zu begreifen, gibt es verschiedenste Tätigkeiten, die ewiglich zu Seiner Freude von den Kuhhirtenmädchen von Vraja ausgeführt werden. Der Dienst der winzigen Seele kann nicht direkt dargebracht werden. Darin besteht der Unterschied zwischen Ihm Selbst und den Kuhhirtenmädchen von Vraja. Nur Sri Radhika allein dient Sri Krishna direkt und wird dabei von den anderen Kuhhirtenmädchen unterstützt. Sri Radhika und Ihre Gefährtinnen sind deshalb die direkten Dienerinnen. Die winzige Seele kann nur in einer untergeordneten Position dienen. Die Aufgabe der anderen Kuhhirtinnen ist nicht ein unmittelbares Spiel mit Sri Krishna, denn dieses Recht ist nur Sri Radhika vorbehalten, sondern besteht darin, Die Anweisungen Sri Radhikas und Ihrer Gefährtinnen bezüglich ihres Dienstes zu Sri Krishna auszuführen. Die Aufgabe der menschlichen Seele ist es, die Anordnungen Sri Radhikas und Ihrer Freundinnen auszuführen und Ihr so bei Ihrem Dienst zu Sri Krishna zu helfen. So ist das Leben in Vraja arrangiert. Die Vorstellung von Sexualität verliert im Falle von Sri Radhika deshalb jede Bedeutung, weil Sie Sri Krishna Selbst in der Verkleidung Seiner einzigen Geliebten ist. Die Krankheit der Sexualität in dieser Welt besteht im Wunsch, über den anderen zu herrschen, dabei ist jeder von seiner inhärenten Natur her vom jeweils anderen völlig unabhängig. Im Falle der Liebesspiele Sri Radha-Krishnas fehlt die Grundlage dieser Krankeit völlig.

Im Reich des Absoluten dienen die reinen Seelen daher Sri Krishna ewig, und ihre jeweiligen Aufgaben werden ihnen von Seinem Gegenstück Sri Radhika zugeteilt, ohne Deren Hilfe ein Kontakt mit Sri Krishna, der ja nötig ist, um Ihm zu dienen, nicht möglich wäre. Sri Radhika und die Kuhhirtenmädchen von Vraja sind Sri Krishnas unmittelbare persönlichen Teile. Unsere Seelen sind winzige Partikel der spirituellen Kraft Sri Krishnas, die in ihrer Fülle von Sri Radhika repräsentiert wird, und die im Randbereich des spirituellen Reiches situiert sind, direkt an der Grenze zu dieser Welt, dem Reiche Mayas. Maya selbst ist ein Bestandteil Sri Radhikas, der Sri Krishna nicht direkt, sondern indirekt und aus einer gewissen Entfernung dient. Wir werden ununterbrochen sowohl von Vraja wie auch von Maya hin und hergezerrt, und wir haben immer die Freiheit, zwischen diesen beiden zu wählen.

Sri Krishnas Liebesspiele sind Wirklichkeit

Die Spiele Sri Krishnas mit den Kuhhirtenmädchen von Vraja, wie sie im Srimad Bhagavatam geschildert werden, sind weder geschichtlich noch allegorisch zu verstehen. Sie sind nicht historisch, weil sie transzendental sind, wohingegen unsere sogenannte Geschichte nur die Aufzeichnungen unserer Erlebnisse in dieser Welt auf der Grundlage eines egoistischen Prinzips sind. Sie sind auch nicht Allegorie, weil sie eben die konkrete Wirklichkeit darstellen, von der diese Welt nur ein verzerrtes Schattenbild ist. Somit sind vielmehr diese Welt und die Geschehnisse in ihr die wahren Allegorien, doch unmöglich zu verstehen, außer man anerkennt sie als abhängig von der absoluten Wirklichkeit und diese symbolisch darstellend. Unser Selbst hat wahrlich nichts mit diesen Allegorien zu tun, die unsere eigentlichen Aufgaben nur falsch wiedergeben und uns dazu verleiten, diese verzerrte Existenz als real zu akzeptieren. Die eigentliche Aufgabe unseres Selbst ist es, der Absoluten Person zu dienen, indem wir Seinen Anweisungen gehorchen, die uns von Seinen Geweihten überbracht werden.

Das Prinzip der Geschlechtlichkeit

Das geschlechtliche Prinzip ist ein mißverstandenes Symbol der Wirklichkeit. Es kann genauso wenig aus unserem Bewußtsein verbannt werden wie das Bewußtsein selbst. Männliche und weibliche Körper gehören keineswegs bloß in diese Welt. Auch hinter ihnen steht eine höhere Realität. Die Seele hat einen Körper, der durch die weibliche Form symbolisiert wird, und der vollkommen frei ist von jeder unheilvollen materiellen Substanz. Unsere gegenwärtige Ablehnung dieser weiblichen Urform hat ihre Ursache im Prinzip des Egoismus, der aus dem gleichen Grund die männliche Form nicht ablehnt, sondern vielmehr bereitwillig annimmt in der Meinung, diese repräsentiere die reine winzige Seele besser. Diese Abneigung für die weibliche Urform versperrt uns den Weg zu einer vorurteilsfreien Erkenntnis der Stellung und Aufgaben der Kuhhirtenmädchen von Vraja. Das Anerkennen des weiblichen Geschlechts ist ein notwendiger Faktor unserer Vorstellung von Verliebtheit. Liebesromanzen sind das erhabenste Thema der Dichtungen der Menschheit und zugleich der mächtigste Faktor aller menschlichen Aktivitäten. Man kann nicht behaupten, sie seien wertlos, indem man sich einfach weigert, sie als Teil unserer Natur zu erkennen. Viel zielführender ist es zu ergründen, was sie wirklich sind. Das Srimad Bhagavatam ist das einzige Werk, das uns auf diese überaus wichtigen Fragen zufriedenstellende Antworten liefert.

Empirik führt zu Halbwahrheiten

Die einzige Art von Antwort, die wir auf diese Fragen verlangen, und eine, die unsere Zweifel und Schwierigkeiten beseitigten wird, muß eine sein, die absolut stimmig ist. Die Empiriker setzen auf provisorische Wahrheiten. Sie scheinen zu glauben, daß sie durch stufenweises Vorankommen ans Ziel gelangen werden. Doch das Ziel, das durch den Vorgang von Fortschritt erreichbar ist, ist nichts als Illusion. Es ist wie der stets zurückweichende Horizont, der in Wirklichkeit nie erreicht werden kann. Die Absolute Wahrheit kann mit den Mitteln des Fortschritts nicht bestimmt werden. Sie ist fest und unveränderlich. Sie bleibt wegen der Unvollkommenheiten des Beobachters im Dunkeln. Auch sind diese Unvollkommenheiten materieller Natur, und schon deshalb stehen sie der Erkenntnis der absoluten Wahrheit, die transzendent ist, im Wege. Echter Fortschritt in Richtung der Wahrheit besteht in der Bemühung, unsere Fähigkeit der Beobachtung zu verbessern. Wir können die Absolute Wahrheit nicht erkennen, indem wir unser sogenanntes Wissen über das Relative erweitern. Dies führt in die verkehrte Richtung. Je größer die Zahl der begrenzten Dinge, die unser Gehirn verstopfen, umso größer wird die Schwierigkeit, diese als für unsere Bestimmung nutzlos zu erkennen. Und es ist eben dieses unser Streben nach Halbwahrheiten und Scheinwahrheiten, das für diese Verstopfung verantwortlich ist. Wir erzeugen selbst den Nebelschleier, der unsere Sicht verdunkelt. Durch diesen endlosen Vorgang des Annehmens und Ablehnens materieller Dinge werden wir unser Ziel niemals erreichen. Wir müssen damit aufhören und über den Grund unseres ständigen und völligen Versagens nachdenken. Wenn wir das aufrichtig tun, kommen wir wie Kant zum einzig richtigen Schluß, daß wir die Wahrheit nicht mit den Mitteln unserer gegenwärtigen Fähigkeiten verstehen können. Das heißt aber nicht, daß wir unser Suchen als hoffnungslos aufgeben sollen. Wir müssen weiter fragen, dann werden wir die wahre Antwort bekommen. Und diese Antwort wird sein, daß die Absolute Wahrheit, nach Der unsere Seele sehnsüchtig sucht, nichts Totes ist und keinen Bezug zu leblosen und begrenzten Dingen oder Gedanken hat, sondern etwas ist, Das mit uns selbst verwandt ist. Sie ist etwas Lebendiges, etwas Selbst-Bewußtes.

"Warum können wir Ihn nicht sehen?"

Das wird die nächste Frage sein, die in uns auftaucht. Die Antwort wird lauten: "Weil Er sich uns nicht zeigt." Wenn wir weiter fragen: "Warum zeigt er sich uns nicht?", wird man uns sagen, daß der Grund dafür ist, daß wir nicht nach Ihm suchen. Wir suchen nie nach der Wahrheit, immer nur nach Halbwahrheiten. Das ist unsere Krankheit. Die wirkliche Wahrheit kommt in dem Moment zu uns, da wir nach Ihr suchen. Und wir suchen nach Ihr erst dann, wenn wir ihre Natur wirklich verstehen. Das ist der Teufelskreis. Gegenwärtig haben wir keine wirkliche Vorstellung von der Wahrheit, und sobald wir daher nach irgendetwas suchen, wird das notwenigerweise nicht die Wahrheit sein.

Zumindest wird uns dann langsam dämmern, daß alles, dem bisher unser Streben galt, revidiert werden muß, und wir werden anfangen, die geheimnisvollen Worte der Schriften zu verstehen: "Gib die empirische Suche nach der Wahrheit ein für alle mal auf und warte darauf, daß Er die Initiative ergreift. Du kannst nicht zu Ihm hinaufsteigen. Egal wonach du hinaufstrebst, du wirst dich davon entfernen. Um erleuchtet zu werden, mußt du dich daher hingeben. Er hat die Macht und den Wunsch, Sich dir zu erkennen zu geben."

In dieser Phase wird jemand natürlich fragen: "Soll ich dann dasitzen und einfach nichts tun?" Und hier sagt dann die Wahrheit ganz entschieden, "Nein, laß deinen Körper und Geist einfach machen, was für sie geeignet scheint, aber du selbst sollst darüber stehen und dich nicht mit ihnen identifizieren, sondern auf eine Nachricht von Mir warten. Verlaß dich ganz auf Mich, Ich werde dich zum Ziel führen, zu Mir Selbst."

Gott, Lehrer und eigentlicher Führer

So wird das Vertrauen im Herzen des Zweiflers angefacht, und wir sind dann in der Lage, von den Anweisungen des aufrichtigen Lehrers zu profitieren, den uns Sri Krishna in dem Augenblick sendet, da wir in vollkommener Demut nach Erleuchtung suchen. Dann werden wir auch fähig sein zu verstehen, daß die Worte des echten Lehrers mit den Worten der Schriften identisch sind. Jetzt sind wir von der wirklichen Fähigkeit des echten Lehrers überzeugt, uns auf dem Pfad zum Absoluten zu führen, und wir ergreifen seine Hand, die immer zu uns ausgestreckt ist, und nach anfänglich häufigem Fragen werden wir uns seiner Führung ohne zu zögern hingeben. Während wir Schritt für Schritt lernen, den Weg des Dienens zu gehen, wird sich unsere Sicht langsam klären, und wir sehen die Wahrheit mit eigenen Augen. Erst dann verstehen wir, was sie wirklich ist.

Obwohl die Empiriker zu verstehen scheinen, daß es notwendig ist, in weltlichen Angelegenheiten unterrichtet und geschult zu werden, sind sie hinsichtlich einer solchen Schulung in spirituellen Dingen ungebührend skeptisch, obwohl dort die Notwendigkeit noch wesentlich größer ist, da wir davon nun einmal nicht die geringste Ahnung haben. Auf dem terra incognita der Transzendenz ist eine Führung unerläßlich, außer wir bestehen hartnäckig darauf, weiterhin Spirituelles mit Materiellem zu verwechseln, und lenken unser Vertrauen weiter auf unsere empirischen Anstrengungen. Doch es ist ein Faktum, daß alle Vorlieben für das Begrenzte das Unbegrenzte draußen halten, und zwar nicht nur teilweise, sondern völlig, nicht nur quantitativ, sondern kategorisch. Das Srimad Bhagavatam bittet diejenigen, die Sri Krishna wirklich dienen wollen, jeden Gedanken an einen Vorteil im weltlichen Sinne aufzugeben, denn diese Haltung, sei sie bewußt oder unbewußt, absichtlich oder auch nur nachgeahmt, ist die Ursache jeder Unreinheit und Unwissenheit. Eine solche Reformierung des Lebens ist die unabdingbare Voraussetzung, um auch nur irgendwelches wirkliches Wissen über die Absolute Person zu erlangen, und das Wesen und die dringende Notwendigkeit einer solchen Änderung sowie auch ihre Durchführbarkeit wird ganz klar durch enge Gemeinschaft mit einem echten Lehrer erkannt. Dies kann nicht erkannt werden, solange wir auch nur einen Hauch von Egoismus aufrecht erhalten. Es kann solange nicht erkannt werden, bis man mit aufrichtiger Überzeugung weiß, daß dies eine wahre Segnung aus seinen Händen ist, auf die man nicht Anspruch kraft irgendwelcher weltlicher Verdienste hat. Nur aus solcherart angetriebener Hingabe oder Wunsch nach Erleuchtung von oben kann unsere getrübte Sicht geklärt werden.

Der Guru ist kein sterbliches, fehlerträchtiges Geschöpf wie wir. Er ist ein ewiger Diener Sri Krishnas, den Er in diese Welt sendet zur Befreiung der gefallenen Seelen. Er kommt in diese Welt in seiner "Mission der grundlosen göttlichen Gnade", um uns aus den Tiefen der Sündhaftigkeit emporzuheben auf unsere natürliche Position absoluter Reinheit, und zwar mit Methoden, die vollkommen in Harmonie sind mit den Grundsätzen unserer wahren, vorurteilslosen Vernunft. Solange wir uns weigern, ihm zuzuhören, sind wir dazu verdammt, alles falsch zu verstehen.

Verlangen nach Sex - Teil einer anerzogenen Natur

Durch den Prozeß der Abstraktion können wir nur zu negativen Ergebnissen kommen. In unserem jetzigen gefallenen Zustand suggeriert uns Sexualität die Vorstellung von einer sinnlichen Unreinheit, weil unsere gegenwärtige Sichtweise selbst sinnlich ist. Dieses Gefühl von Unreinheit ist in Wahrheit nur die Auswirkung einer Nichtübereinstimmung jeder materiellen, begrenzten, unbewußten Substanz mit dem Wesen der Seele. Wir befinden uns mit dem Gegenstand unseres Denkens nicht auf derselben Ebene, sondern sind mit diesem auf höchst unnatürliche Weise verknüpft. Dieses Verlangen ist die Empfindung von Unreinheit und Abscheu. Solange wir weiterhin mit sehnsüchtigem Blick nach Sex Ausschau halten, können wir nicht anders davon denken. Aber dieses Verlangen ist auch Teil unserer gegenwärtigen anerzogenen Natur und wird uns nicht verlassen, bis wir in der Lage sein werden, diese zweite Natur abzulegen.

Weibliche Form der menschlichen Seele

Mit einer solchen Reformierung unseres Wesens macht auch unsere Beziehung zur Sexualität eine vollständige Veränderung durch, die anders für unser jetziges Verständnis nicht begreifbar ist. Die weibliche Form der menschlichen Seele ist keine materielle Form. Die Beziehung zwischen der menschlichen Seele und Sri Krishna ist nicht die Beziehung der materiellen weiblichen Form mit der korrespondierenden männlichen Form. Die Liebesspiele Sri Krishnas mit den spirituellen Kuhhirtenmädchen von Vraja gleichen nicht den Liebesspielen zwischen Mann und Frau in dieser Welt. Die Liebschaften Sri Krishnas sind keine Erfindung des kranken Hirns von Sinnengenießern. Die Erotik dieser Welt könnte nicht existieren, hätte sie nicht ihr Urprinzip in Sri Krishna. Niemand aber leugnet die Existenz oder Wichtigkeit des Prinzips der Liebe in dieser Welt; weshalb also bilden sie sich ein, es existiere nicht im Reich des Absoluten in ihrer vollkommen gesunden Form?
Weil wir uns dafür entschieden haben, die weibliche Form der Seele als materiell zu sehen, sind wir schockiert über das, was wir für schamlose sinnliche Neigungen der Transzendentalisten halten. Das ist unvermeidlich, solange wir uns aus freien Stücken dafür entscheiden, die Fehlansicht, die Sexualität unserer Erfahrung sei das wahre Ding und nicht eine verzerrte Widerspiegelung, aufrecht zu erhalten und uns einbilden, wir wären in der Lage, das Problem der Sexualität zu lösen, indem wir sinnliche Aktivitäten vom Körper auf den Geist transferieren und die Exzesse äußerlicher sexueller Akte als unrein verdammen, ohne dafür eine konsistente Grundlage zu haben. Eine solch stümperhafte Philosophie hat nie irgendjemanden vom wirklichen Wesen und Zweck des sexuellen Aktes überzeugen können und wird das auch nie, und zwar deshalb, weil der sexuelle Akt in dieser sündhaften Welt der ewige Begleitumstand der höchsten Funktion der Seele ist, der aus diesem Grund durch keine empirische Anstrengung zurückgedrängt oder gar anulliert werden kann, und einzig dessen richtiges Verständnis kann uns vor den schlimmen Folgen unserer gegenwärtigen selbstmörderischen sexuellen Torheiten retten.

Verwechslung der Medizin mit der Krankheit

Das ganze Mißverständnis rund um dieses Thema kommt von unserer absichtlichen Verwechslung der Medizin mit der Krankheit, der Absoluten Wahrheit mit Ihrer Verzerrung, der Substanz mit dem Schatten. Das Srimad Bhagavatam hat in eindeutiger Weise die Medizin offenbart, weiß aber ganz genau, daß es vorsätzlich mißverstanden und falsch ausgelegt werden würde, und zwar sowohl von sogenannten Freunden als auch von Feinden. Dennoch ist die Medizin für unser Wohlergehen unverzichtbar. Keine Religion, die diese Notwendigkeit für die menschliche Rasse übersehen hat, kann uns die Erleichterung verschaffen, derer wir so dringend bedürfen. Gerade aus diesem Grund wird das Srimad Bhagavatam, das von allen kranken Personen so geschmäht wird, also praktisch von jedermann in dieser Welt, von den größten spirituellen Lehrern in diesem Land als das weltweit einzige Buch hingestellt, das die eindeutigste Darstellung der Vollständigen Unteibaren Wahrheit offenbart. Ein Verständnis dieser Wahrheit ist das einzige Mittel, das uns von Sünde und dem daraus folgenden Elend bewahren kann. Sri Caitanya Mahaprabhu sowie seine Gefährten und Nachfolger haben die Religion des Srimad Bhagavatams durch ihre Lehren und ihr Vorbild erklärt. Sie geben uns zu verstehen, daß die Absolute Wahrheit gelebt werden muß, um verstanden werden zu können. Würde Sie nicht gelebt, sondern nur gelehrt, würde Sie nicht als Wirklichkeit erkannt und verkümmerte zur schlimmsten Form Ihrer materiellen Karikatur, und würde so Lehrern wie Schülern unendlichen Schaden zufügen. Die richtige Anwendung der Medizin ist absolut notwendig, um die Krankheit der Unwissenheit zu heilen. Wer die Medizin, die von einem kompetenten Arzt verordnet wurde, nicht einnimmt, wird nie von seiner Unwissenheit geheilt werden. Wenn der Blinde vorgibt, sehen zu können, mögen ihm andere Blinde glauben, doch wird er von jenen, die wirklich sehen, unweigerlich aufgedeckt werden. Keinesfalls wird er andere richtig auf dem schmalen Pfad der Rechtschaffenheit führen können. Solange wir uns nicht entscheiden, dieser Medizin tatsächlich unsere volle Aufmerksamkeit zu widmen, weil wir ohnehin schon zu einem solchen Richtungswechsel durch echte Notwendigkeit gedrängt werden, und einen Weg finden, sie zu akzeptieren, wird unsere irrationale Pervertiertheit nicht aufhören, sehr effizient ihren Zutritt zu unserem umnachteten Verständnis zu blockieren. Wir müssen verstehen, daß das Reich des Absoluten von einem Selbstschutz umgeben ist, der das Eindringen durch Hinterlist und Unvollkommenheit, welche die Eltern des Selbstbetruges sind, verhindern.

Aufgeben der Sinnlichkeit

In der Tat fordert das Srimad Bhagavatam von uns, so wir die wahre Natur der sinnlichen Liebe verstehen wollen, durch die allein Sri Krishna richtig gedient werden kann, bereit zu sein, das höchste Opfer zu bringen, nämlich alle sexuellen Begierden und Neigungen ein für alle mal bedingungslos aufzugeben. Es steht uns völlig frei, diesen Weg einzuschlagen. Aber keine Wahl ist eine wirkliche Wahl, wenn sie nicht aus Überzeugung auf der Grundlage tatsächlicher Erfahrung gemacht wird. Diskurse über die Wahrheit helfen uns zu solcher Überzeugung. Nachdem sich die Überzeugung eingestellt hat, fühlen wir uns ganz natürlich dazu bereit, die Führung durch die Schriften, wie sie von den echten Devotees dargestellt werden, anzunehmen.

Es gibt sorgfältig abgestufte Phasen auf dem Weg spiritueller Bemühungen, die der Reihe nach bewältigt werden müssen, bevor wir das Ziel erreichen können. Erst nachdem wir das Ziel erreicht haben, werden wir tatsächlich die Wahrheit begreifen, die dem Prinzip der Sexualität zugrunde liegt. Sie wird erst ganz am Schluß erkannt, obwohl man vom sexuellen Verlangen bereits an der Schwelle spiritueller Bemühungen geheilt wird. Viele Leute verwechseln dieses Verschwinden sexueller Wünsche mit dem Ziel selbst. Wer sich mit der Erlösung von solchen Verlangen bereits zufrieden gibt und zuläßt, von der Suche nach der Wahrheit abzuweichen in der Meinung, seine Erfüllung gefunden zu haben, für den geht es unbewußt auf einem Seitenpfad wieder abwärts.

Richtiger Gebrauch der Sinne

Man sollte nicht aufgeben, bis man die letzte Antwort bekommen hat auf die Frage: "Was sollen wir mit unseren Sinnen machen?" Das ist die richtige positive Einstellung. Wir können nicht aufhören, unsere Sinne zu einem bestimmten Ausmaß zu nutzen. Deshalb ist es wichtig, ihre richtige Verwendung zu kennen. Erst durch unsere Ausdauer auf dieser selbstlosen Suche nach der Absoluten Wahrheit erkennen wir durch die Suche und in der Suche selbst das Objekt unserer Suche, Das identisch ist mit eben den Mitteln, die wir für diese Suche nach Ihm zuhilfe genommen haben.

Copyright © 2002 Sri Chaitanya Saraswat Math

     

see also the original english article
THE EROTIC PRINCIPLE AND UNALLOYED DEVOTION