Bhagavad
- Gita Wie Sie Ist
von
A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Original Ausgabe von 1974, Schloß Rettershof
Nur Vers Übersetzung
Kapitel
6. - Sankhya - yoga
6.1
Der Höchste Herr sagte: Wer an den Früchten seiner
Arbeit nicht haftet und seine vorgeschriebenen Pflichten
erfüllt, befindet sich auf der Lebensstufe der Entsagung.
Er ist der wahre Mystiker, und nicht der, der kein Feuer
entzündet und keine Arbeit verrichtet.
6.2
Was Entsagung genannt wird, ist das gleiche wie yoga - sich
mit dem Höchsten verbinden - , denn niemand kann ein
yogi werden, solange er nicht den Verlangen nach Sinnesbefriedigung
entsagt.
6.3
Ein Neuling im achtfachen yoga - System wird Arbeit als
Weg empfohlen, und für einen, der yoga bereits erreicht
hat, ist, wie man sagt, die Beendigung aller materiellen
Aktivitäten der Pfad zur Befreiung.
6.4
Man sagt, ein Mensch habe yoga erreicht, wenn er alle materiellen
Verlangen aufgegeben hat und weder zur Sinnesbefriedigung
handelt noch fruchtbringende Aktivitäten ausführt.
6.5
Der Mensch muß sich durch seinen Geist erheben, und
nicht erniedrigen. Der Geist ist der Feind der bedingten
Seele, aber auch ihr Freund.
6.6
Für den, der den Geist bezwungen hat, ist der Geist
der beste Freund; doch für den, der dies versäumt
hat, wird der gleiche Geist zum größten Feind.
6.7
Wer den Geist bezwingen kann, hat die überseele erreicht,
denn er hat
Ausgeglichenheit erlangt. Für einen solchen Menschen
sind Glück und Leid, Hitze und Kälte, Ehre und
Schmach das gleiche.
6.8
Ein Mensch gilt als selbstverwirklicht und wird ein yogi
oder Mystiker genannt, wenn er durch sein Wissen und seine
Verwirklichung völlig zufrieden ist. Solch ein Mensch
ist in der Transzendenz verankert und selbstkontrolliert.
Für ihn sind Kiesel, Steine oder
Gold das gleiche.
6.9
Man sagt, ein Mensch sei noch weiter fortgeschritten, wenn
er sowohl Freunde als auch Feinde, Neidische und auch Wohlgesinnte,
die Frommen und die Sünder und die, die gleichgültig
und unparteiisch sind, mit gleichen Augen sieht.
6.10
Ein Transzendentalist sollte immer versuchen, seinen Geist
auf das Höchste Selbst zu konzentrieren; er sollte
allein an einem einsamen Ort leben, seinen Geist stets sorgfältig
kontrollieren und von Verlangen und Gefühlen der Besitzgier
frei sein.
6.11-12
Um yoga zu praktizieren, sollte man an einen einsamen Ort
gehen, kusa - Gras auf den Boden legen und es mit einem
Rehfell und einem weichen Tuch bedecken. Der Sitz sollte
weder zu hoch noch zu niedrig sein und an einem heiligen
Ort liegen. Der yogi sollte in aufrechter Haltung darauf
sitzen und yoga praktizieren, in dem er den Geist und die
Sinne beherrscht, das Herz reinigt und den Geist auf einen
Punkt fixiert.
6.13-14
Man sollte Körper, Nacken und Kopf aufrecht, in einer
geraden Linie halten und stetig auf die Nasenspitze starren.
Auf diese Weise sollte man mit ungestörtem, kontrolliertem
Geist, ohne Furcht und völlig frei von Sexualität
über Mich im Herzen Meditieren und Mich zum endgültigen
Ziel des Lebens machen.
6.15
Während sich der Transzendentalist somit darin übt,
Körper, Geist und Aktivitäten zu kontrollieren,
beendet er das materielle Dasein und geht in das Königreich
Gottes (dasReich Krsnas) ein.
6.16
O Arjuna, es ist nicht möglich, ein yogi zu werden,
wenn man zu viel ißt oder zu wenig ißt, wenn
man zu viel schläft oder nicht genügend schläft.
6.17
Wer das yoga - System praktiziert und im Essen, Schlafen,
Arbeiten und sich erholen maßvoll ist, kann alle materiellen
Leiden lindern.
6.18
Wenn der yogi durch das praktizieren von yoga die Aktivitäten
seines Geistes zügelt und, frei von materiellen Verlangen,
in der Transzendenz verankert wird, sagt man von ihm, er
habe yoga erreicht.
6.19
Gleich einem Licht, das an einem windstillen Ort nicht flackert,
bleibt der Transzendentalist, dessen Geist kontrolliert
ist, in seiner Meditation über das transzendentale
Selbst immer stetig.
6.20-23
Wenn der Geist durch das Praktizieren von yoga von allen
Aktivitäten in der Materie vollständig zurückgehalten
wird, nennt man diese Stufe der Vollkommenheit Trance oder
samadhi. Auf dieser Ebene kann man durch den reinen Geist
das Selbst sehen, sich am Selbst erfreuen und im Selbst
genießen. In diesen freudigen Zustand erfährt
man grenzenloses transzendentales Glück und genießt
durch transzendentale Sinne. Wenn man diese Stufe erreicht
hat, weicht man niemals von der Wahrheit ab und denkt, daß
es keinen größeren Gewinn gibt. In einer solchen
Position gerät man niemals, nichteinmal in mitten der
größten Schwierigkeiten, ins Wanken. Dies ist
wirkliche Freiheit von allen Leiden, die aus der Berührung
mit der Materie entstehen.
6.24
Man sollte yoga mit fester Entschlossenheit und unerschütterlichem
Vertrauen praktizieren. Dabei sollte man alle materiellen
Verlangen, die aus dem falschen Ich geboren werden, ohne
Ausnahme aufgeben und auf diese Weise alle Sinne durch den
Geist beherrschen.
6.25
Allmählich, Schritt für Schritt und mit völliger
überzeugung, sollte man mit Hilfe der Intelligenz in
Trance versinken und auf dieser Stufe den Geist allein auf
das Selbst richten und an nichts anderes mehr denken.
6.26
Wohin auch immer der Geist aufgrund seiner flackernden und
unsteten Natur wandert - man muß ihn auf jeden Fall
zurückziehen und wieder unter die Kontrolle des Selbst
bringen.
6.27
Der yogi, dessen Geist fest auf Mich gerichtet ist, erreicht
das höchste Glück. Weil er sich mit dem Brahman
identifiziert, ist er befreit; sein Geist ist von Frieden
erfüllt, seine Leidenschaften sind zur Ruhe gekommen,
und er ist frei von allen Sünden.
6.28
Fest verankert im Selbst und befreit von aller materiellen
Verunreinigung, erreicht der yogi, der mit dem Höchsten
Bewußtsein verbunden ist, die am höchsten vervollkommnete
Stufe des Glücks.
6.29
Ein wahrer yogi sieht Mich in allen Wesen und alle Wesen
in Mir. Wahrlich, die selbstverwirklichte Seele sieht Mich
überall.
6.30
Wer Mich überall und alles in Mir sieht, ist immer
mit Mir verbunden und niemals von Mir getrennt.
6.31
Der yogi, der weiß, daß Ich und die überseele
in allen Geschöpfen eins sind, verehrt Mich und bleibt
unter allen Umständen in Mir verankert.
6.32
O Arjuna, ein vollkommener yogi ist, wer im Vergleich mit
seinem eigenen Selbst die wahre Gleichheit aller Wesen sowohl
in ihrem Glück als auch in ihrem Leid sieht.
6.33
Arjuna sagte: O Madhusudana, das yoga - System, das Du beschrieben
hast, erscheint mir unpraktisch und undurchführbar,
denn der Geist ist ruhelos und unstet.
6.34
Der Geist ist ruhelos, stürmisch, widerspenstig und
sehr stark, o Krsna, und ihn zu kontrollieren erscheint
mir schwieriger, als den Wind zu beherrschen.
6.35
Der höchste Herr sagte: O starkarmiger Sohn Kuntis,
es ist ohne Zweifel sehrschwierig, den ruhelosen Geist zu
zügeln, doch durch ständige übung und durch
Loslösung ist dies möglich.
6.36
Für einen Menschen mit ungezügeltem Geist ist
Selbstverwirklichung ein schwieriges Unterfangen. Doch wer
den Geist kontrolliert und sich mit rechten Mitteln bemüht,
wird mit Sicherheit erfolgreich sein. Das ist meine Meinung.
6.37
Arjuna sagte: Was ist das Schicksal eines Gläubigen,
der nicht standhaft ist - den Pfad der Selbstverwirklichung
zwar aufnimmt, doch ihn später, aufgrund seiner Weltzugewandtheit,
wieder verläßt und daher die vollkommenheit der
Mystik nicht erreicht?
6.38
O starkarmiger Krsna, vergeht nicht solch ein Mensch, der
vom Pfad der Transzendenz abweicht, wie eine zerrissene
Wolke - ohne Halt in irgend einer Sphäre?
6.39
Das ist mein Zweifel, o Krsna, und ich bitte Dich, ihn völlig
zu beseitigen. Außer Dir gibt es niemanden, der diesen
Zweifel vertreiben kann.
6.40
Der höchste Herr sagte: O Sohn Prthas, ein Transzendentalist,
der
glückverheißenden Aktivitäten nachgeht,
wird weder in der materiellen noch in derspirituellen Welt
vergehen; wer Gutes tut, Mein Freund, wird niemals vom Bösen
besiegt.
6.41
Nachdem sich der gescheiterte yogi auf den Planeten der
frommen Lebewesen erfreut hat, wird er in einer Familie
rechtschaffener Menschen oder in einer reichen aristokratischen
Familie geboren.
6.42
Oder er wird in einer Familie von Transzendentalisten geboren,
die von großer Weisheit sind. Wahrlich, solch eine
Geburt ist selten in dieser Welt.
6.43
O Nachkomme Kurus, wenn er in solch einer Familie geboren
wird, wiedererweckt er das göttliche Bewußtsein
seines vorherigen Lebens und versucht, weiteren Fortschritt
zumachen, um schließlich die Vollkommenheit zu erlangen.
6.44
Durch das göttliche Bewußtsein seines vorherigen
Lebens fühlt er sich, sogar ohne danach zu streben,
zu den Prinzipien des yoga hingezogen. Solch ein wißbegieriger
Transzendentalist, der sich bemüht, die Stufe des yoga
zu erreichen, steht immer über den rituellen Prinzipien
der Schriften.
6.45
Wenn sich der yogi jedoch ernsthaft bemüht, weiteren
Fortschritt zu machen, und von allen Verschmutzungen reingewaschen
ist, erreicht er nach vielen Geburten das höchste Ziel.
6.46
Ein yogi ist größer als ein Asket, größer
als ein Empiriker und größer als ein fruchtbringender
Arbeiter. Deshalb, o Arjuna, sei unter allen Umständen
ein yogi.
6.47
Von allen yogis ist der am engsten mit Mir in yoga vereint,
der mit großem Vertrauen immer in Mir weilt und Mich
im transzendentalen liebevollen Dienst verehrt,und er ist
der höchste von allen.
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