Mahabharata, Adi Parva, Kapitel 121

Kunti erzählt die Geschichte von Vyushitaswa und Bhadra

So angesprochen, antwortete Kunti ihrem heldenhaften Herrn, König Pandu, jenem Bullen unter den Kurus und sagte: "O Rechtschaffener, es gebührt sich nicht für dich, mir dies zu sagen. O Lotosäugiger, ich bin deine verheiratete Frau, die dir hingegeben ist. O starkarmiger Bharata, du selbst sollest, in Rechtschaffenheit, von mir Kinder haben, die über große Macht verfügen. Dann werde ich mit dir in den Himmel eingehen; o Prinz der Kuru Familie, nimm mich in deine Arme, um Kinder zu zeugen. Ich werde sicherlich keinen anderen Mann außer dir in meiner Umarmung akzeptieren, nicht einmal im Geiste. Welcher andere Mann auf dieser Welt ist dir höhergestellt? O Tugendhafter, höre diese puranische Erzählung, die von mir gehört wurde und die ich jetzt erzählen werde, o Großäugiger.

In alten Zeiten gab es einen unter dem Namen Vyushitaswa bekannten König in der Puru Familie. Er war der Wahrheit und Rechtschaffenheit ergeben und verfügte über eine tugendhafte Seele und starke Arme. Bei einem Anlaß, als er ein Opfer ausführte, kamen die Götter mit Indra und die großen Rishis zu ihm. Indra war von dem von ihm getrunkenen Soma Saft derart berauscht und die brahmanas von den großen Geschenken, die sie erhalten hatten, daß die Götter und die großen Rishis selbst alles zu dem Opfer des königlichen Weisen Gehörende auszuführen begannen. Daraufhin fing Vyushitaswa über allen Menschen wie die Sonne, die nach dem Ende der frostigen Jahreszeit mit doppeltem Glanz erscheint zu leuchten an. Der mächtige Vyushitaswa, der über die Kraft von zehn Elefanten verfügte, führte sehr bald das Pferdeopfer aus, o Bester der Monarchen, wobei er all die Könige des Osten, Norden, Westen und Süden besiegte und von ihnen allen Tribut forderte. Es gibt eine Anekdote, o Bester der Kurus, die von allen Rezitatoren der Puranas gesungen wird, in Verbindung mit diesem Ersten aller Menschen, dem erlauchten Vyushitaswa. - Die ganze Erde bis zur Seeküste erobert habend, beschütze Vyushitaswa jede Klasse seiner Untertanen, so wie ein Vater seine von ihm gezeugten Söhne. - Viele große Opfer ausführend, übergab er den brahmanas großen Reichtum. Nachdem er eine unbegrenzte Anzahl von Juwelen und wertvollen Steinen gesammelt hatte, traf er Vorkehrungen, sogar noch größere Opfer auszuführen. Er führte auch das Agnishtoma und andere besondere vedische Opfer aus, wo große Mengen von Soma Saft gewonnen werden. O König, Vyushitaswa hatte als seine liebe Frau Bhadra, die Tochter von Kakshivat, unübertroffen an Schönheit auf Erden. Wir haben gehört, daß sich die Beiden gegenseitig sehr gern hatten. König Vyushitaswa war selten von seiner Frau getrennt. Jedoch sexueller Exzeß brachte eine Attacke der Schwindsucht und der König verstarb innerhalb weniger Tage, versinkend wie die Sonne in ihrer Herrlichkeit. Darauf war seine schöne Königin, Bhadra, in Kummer gestürzt, und da sie sohnlos war, o Tiger unter den Menschen, weinte sie in großer Betrübnis. Höre, o König, ich erzähle dir alles was Bhadra mit bitteren, über ihre Wangen strömenden Tränen gesagt hat. ‘O Tugendhafter’, sagte sie, ‘Frauen sind nutzlos, wenn ihre Ehemänner tot sind. Jene, die nach dem Tod des Ehemannes lebt, führt ein elendes Dasein, das man kaum Leben nennen kann. O Bulle der kshatriya Klasse, der Tod ist eine Segnung für Frauen ohne Ehemänner. In deiner Abwesenheit bin ich nicht in der Lage, das Leben auch nur für einen Augenblick zu ertragen. Sei gütig zu mir, o König, und nimm mich schnell hinfort. O Tiger unter den Menschen, ich werden dir über ebenen und unebenen Boden folgen. Du bist davongegangen, o Herr, um niemals wiederzukehren. Ich werde dir folgen, o König, als dein eigener Schatten. O Tiger unter den Menschen, ich werde dir (als dein Sklave) folgen und stets tun was dir gefällt und was gut für dich ist. O Lotosäugiger, ohne dich, von diesem Tag an, überwältigen mich mentale Höllenqualen, die mein Herz zerreißen. Als ein Schuft der ich bin, wurde von mir in einem früheren Leben zweifellos ein Liebespaar getrennt, wofür ich in diesem Leben die Qualen der Trennung von dir erleiden muß. O König, jene unglückliche Frau, die auch nur für einen Augenblick von ihrem Herrn getrennt lebt, erleidet Schmerz und die Qualen der Hölle sogar schon hier. Zweifellos habe ich ein Liebespaar in meinem früheren Leben getrennt und für diese sündhafte Tat erleide ich die Tortur meiner Trennung von dir. O König, von diesem Tag an werde ich mich, in der Hoffnung, dich noch einmal zu sehen, auf ein Bett aus Kusa Gras niederlegen und mich von jedem Luxus enthalten. O Tiger unter den Menschen, zeige dich mir. O König, o Herr, gebiete noch einmal über deine unglückliche und bitterlich weinende Frau, die von Schmerz überwältigt ist.’"

Kunti fuhr fort: "O Pandu, so weinte die liebliche Bhadra über den Tod ihres Herrn. Und die weinende Bhadra umarmte die Leiche vor lauter Herzensqualen. Dann wurde sie von einer körperlosen Stimme mit diesen Worten angesprochen: ‘O Bhadra, erhebe dich und verlasse diesen Ort. O süß Lächelnde, ich gewähre dir diese Segnung: Ich werde mit dir Nachkommen zeugen. Lege dich mit mir auf deinem eigenen Bett nieder, nach dem Monatsbad, in der Nacht des achten oder des vierzehnten Mondtages.’ So von der körperlosen Stimme angesprochen, tat die keusche Bhadra wie befohlen, um Nachkommen zu erhalten. Und, o Bulle der Bharatas, die Leiche ihres Ehemannes zeugte mit ihr sieben Kinder, nämlich drei Salwas und vier Madras. O Bulle der Bharatas, zeuge auch du Nachkommen mit mir, wie der erhabenen Vyushitaswa, durch die Anwendung der asketischen Macht, die du besitzt."

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