Mahabharata, Adi Parva, Kapitel 90

Über den Fall von den himmlischen Planeten und das höchste Ziel

Fall von den himmlischen Planeten (Grund und Vorgang); über das Leben nach dem Tod; Beschreibung der Entstehung der Körper der Lebewesen; das Schicksal der Tugendhaften und das der Boshaften; die glückseligen Regionen ohne Rückkehr zur Erde und wie man dort hin gelangt.

Astaka sagte [zu Yayati]: "Für eine Million Jahre lebtest du in den Gärten Nandanas [die himmlischen Paradiesgärten] und bist in der Lage, nach Wunsch jede Gestalt anzunehmen. Aus welchem Grund, o Bester von jenen, die im Krita-Zeitalter [Satya-yuga] florierten, wurdest Du gezwungen, diese Region zu verlassen und hierher [auf die Erde] zu kommen?

"So wie Angehörige, Freunde und Verwandte in dieser Welt jene verlassen, deren Reichtum vergeht, so verlassen in der anderen Welt die Himmlischen jenen, der seine Rechtschaffenheit verloren hat."

Yayati antwortete: "So wie Angehörige, Freunde und Verwandte in dieser Welt jene verlassen, deren Reichtum vergeht, so verlassen in der anderen Welt die Himmlischen, mit Indra als ihrem Herrn, jenen, der seine Rechtschaffenheit verloren hat."

Astaka sagte: "Ich bin sehr begierig darauf zu erfahren, wie Menschen in der anderen Welt die Rechtschaffenheit verlieren können. O König, erzähle mir auch, welche Regionen durch welche Handlungsweisen zu erlangen sind. Ich weiß, daß du die Handlungen und Aussprüche großer Wesen kennst."

Yayati antwortete: "O Frommer, jene, die von ihren eigenen Verdiensten reden, sind dazu verdammt, in der Hölle mit dem Namen Bhauma [Erde] zu leiden. Obwohl sie wirklich ausgezehrt und mager sind, scheinen sie auf der Erde (in Form ihrer Söhne und Enkel) heranzuwachsen, nur um Futter für Geier, Hunde und Schakale zu werden. O König, deswegen sollte dieses höchst sträfliche und verruchte Laster unterdrückt werden. O König, ich habe Dir nun alles erzählt. Sage mir, was ich weiter erzählen soll."

Astaka sagte: "Wenn das Leben durch das Alter vergangen ist, fressen Geier, Pfaue, Insekten und Würmer den menschlichen Körper. Wo wohnt dann der Mensch? Wie kommt er ins Leben zurück? Ich habe nie von einer Hölle mit dem Namen Bhauma auf der Erde gehört!"

Yayati antwortete: "Nach der Vernichtung des Körpers betritt der Mensch, entsprechend seiner Handlungen, wieder den Schoß seiner Mutter und bleibt dort in undeutlicher Form, bis er bald danach eine deutliche und sichtbare Form annimmt, in der Welt erscheint und auf ihrer Oberfläche wandert. Das ist diese Erdhölle (Bhauma) wohin er fällt, da er die Vernichtung seiner Existenz nicht erblickt und nicht auf seine Befreiung hin handelt.
Einige leben für sechzigtausend Jahre im Himmel, andere für achtzigtausend Jahre und dann fallen sie. Und wenn sie fallen, werden sie von bestimmten raksasas [Menschenfresser] in der Form von Söhnen, Enkeln und anderen Verwandten attackiert, die ihre Herzen davor zurückziehen, für ihre eigene Befreiung zu handeln."

Der Kreislauf von Geburt und Tod
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Astaka fragte: "Für welche Sünde werden die Wesen, wenn sie vom Himmel fallen, von diesen grimmigen raksasas mit scharfen Zähnen attackiert? Warum werden sie nicht vernichtet? Wie betreten sie wieder den Schoß [der Mutter], mit Sinnen ausgestattet?"

Yayati antwortete: "Nachdem die Wesen vom Himmel gefallen sind, werden sie zu einer subtilen, im Wasser lebenden Substanz. Dieses Wasser wird zu Samen, dem Kern der Lebenskraft. Von dort gelangt er zur Zeit der weiblichen Fruchtbarkeit in den Schoß der Mutter, entwickelt sich in den Embryo und dann zu sichtbarem Leben, wie die Frucht von der Blume. Indem er Bäume, Pflanzen und andere pflanzliche Substanzen, Wasser, Luft, Erde und Raum betritt, nimmt derselbe wässerige Same des Lebens vierfüßige oder zweifüßige Gestalt an. Das ist mit allen Geschöpfen, die du siehst, der Fall."

Astaka sagte: "Ich frage dich, weil ich meine Zweifel habe. O sage mir, betritt ein Wesen, das eine menschliche Form erhalten hat, in seiner eigenen Gestalt oder in einer anderen den Mutterschoß? Wie erlangt es seine eigene und sichtbare Gestalt, Augen und Ohren und auch Bewußtsein? So von mir gefragt - o erkläre dies alles! O Vater, du bist mit den Handlungen und Aussprüchen großer Wesen vertraut."

Yayati antwortete: "Entsprechend der Verdienste der eigenen Handlungen wird das Wesen, das sich in einer subtilen Form im Samen befindet, der in den Mutterleib gegeben wird, von der Stimmungsmacht mit Absichten auf Wiedergeburt angezogen. Dort entwickelt es sich im Verlauf der Zeit; zuerst wird es zum Embryo und als nächstes mit dem sichtbaren physikalischen Organismus versorgt. Im Verlauf der Zeit kommt es aus dem Mutterleib heraus und wird sich seiner Existenz als Mensch bewußt. Seine Ohren fangen an Klangschwingung wahrzunehmen, seine Augen Farbe und Form, seine Nase Geruch, seine Zunge Geschmack, sein gesamter Körper Berührung und sein Geist Gedanken. O Astaka, auf diese Art entwickelt sich der grobstoffliche und sichtbare Körper von der subtilen Substanz."

Astaka fragte: "Nach dem Tod wird der Körper verbrannt oder auf andere Weise zerstört. Durch solche Vernichtung zu Nichts reduziert, aufgrund welchem Prinzip wird man wiederbelebt?"

"Die Person, die stirbt, nimmt eine subtile Gestalt an. Das Wissen um all ihre Handlungen wie in einem Traum behaltend, betritt sie mit einer Geschwindigkeit schneller als die der Luft eine andere Gestalt." 

Yayati sagte: "O Löwe unter den Königen, die Person, die stirbt, nimmt eine subtile Gestalt an. Das Wissen um all ihre Handlungen wie in einem Traum behaltend, betritt sie mit einer Geschwindigkeit schneller als die der Luft eine andere Gestalt. Die Tugendhaften erlangen eine höhere und die Boshaften eine niedrigere Form der Existenz. Die Boshaften werden Würmer und Insekten. Ich habe sonst nichts zu sagen, o große und reine Seele! Ich habe dir erzählt, wie Wesen nach der Entwicklung embryonaler Formen als vierfüßige, sechsfüßige Kreaturen und andere mit mehr Füßen geboren werden. Was willst du mich weiter fragen?"

Astaka sagte: "O Vater, wie gelangen Menschen zu diesen höheren Regionen, von woher es keine Rückkehr zu irdischem Leben gibt? Durch Entsagung oder durch Wissen? Wie kann man allmählich zu glückseligen Regionen gelangen? So von mir gefragt - o beantworte dies vollständig."

Yayati antwortete: "Die Weisen sagen, daß es für Menschen sieben Tore gibt, durch die Einlaß in den Himmel erlangt werden kann. Diese sind Entsagung, Wohltätigkeit, Friede des Geistes, Selbstbeherrschung, Bescheidenheit, Einfachheit und Güte gegenüber allen Kreaturen. Die Weisen sagen auch, daß eine Person all dies infolge von Stolz verliert. Jener Mensch, der Wissen erlangt habend sich selbst als gelehrt betrachtet, und mit seinem Wissen den Ruf anderer ruiniert, gelangt niemals in Regionen unzerstörbarer Glückseligkeit. Dieses Wissen befugt seinen Inhaber auch nicht zu Brahma zu gelangen. Studium, Schweigsamkeit, Verehrung vor dem Feuer und Opfer – diese vier [Mittel] beseitigen alle Furcht. Wenn diese aber mit Stolz vermischt sind, verursachen sie Furcht, anstatt sie zu beseitigen. Die Weisen sollten niemals bei (Erlangung von) Ehren triumphieren, noch sollten sie sich bei Beleidigungen grämen. Denn nur die Weise ehren die Weisen; die Boshaften handeln niemals wie die Tugendhaften. Ich habe so viel gegeben, ich habe so viele Opfer ausgeführt, ich habe so viel studiert, ich habe diese Gelübde eingehalten – solcher Stolz ist die Wurzel von Furcht. Deswegen darfst du dich solchen Gefühlen nicht hingeben. Jene gelehrten Menschen, die als ihren Rückhalt einzig das unveränderliche, unbegreifliche Brahma [der höchste Aspekt des Brahmans ist Krishna] akzeptieren, welches tugendhafte Personen wie dich fortwährend mit Segnungen überschüttet, genießen hier und hernach [im Jenseits] vollkommenen Frieden."

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